Ist das Kunst oder Vandalismus?

von 19 nora  


Letzten Dienstag hat mich meine Chefin gefragt ob ich am Abend schon was vor hätte, ich könnte mit zum Universitätsgelände kommen um ein paar Protestbanner der Studenten anzuschauen. Das klang zunächst gar nicht so spektakulär, da ich von den Protesten bisher nur am Rande etwas mitbekommen habe. Ich erwartete nur ein paar bemalte Bettlaken, sagte aber dennoch zu.

Das habe ich definitiv nicht bereut, denn ich wurde schnell eines besseren belehrt. Was wir uns nämlich tatsächlich anschauten, waren die besetzten Fakultätsgebäude der Universität. Wir bekamen überhaupt nur Zutritt weil meine Chefin einige der Studenten sehr gut kennt. Am Eingang wurden wir erst einmal gründlich kontrolliert, auf gefährliche Gegenstände untersucht und auch die Identifikationsnummern wurden notiert.


Die alternative Atmosphäre in dem Gebäude überraschte mich. Sie kommt unerwartet wenn man das sonst eher konservative Bild der Bevölkerung Costa Ricas gewohnt ist. Hier liefen plötzlich Punks und und Leute mit Dreads herum. In Sitzkreisen diskutietren die Studenten über die aktuellen Entwicklungen. Andere haben ihre Instrumente mitgebracht und gaben ein spontanes Konzert.

Das Gebäude der Fakultät für Sozialwissenschaften ist das größte der besetzten Gebäude. Zunächst hieß es aufgrund der Größe sei es nicht möglich, dieses Gebäude einzunehmen, doch die Studenten bewiesen das Gegenteil. Nun ist es eine zentrale Stelle der Proteste und das sieht man auch. Alle Wände des fünfstöckigen Gebäudes sind komplett von Forderungen, Sprüchen und Bildern bemalt worden, welche den Standpunkt der Studenten mehr als deutlich darstellen. „Politicos enemigos de la educacion“ (Politiker sind Gegner der Bildung) , „La educacion publica es un derecho no un privilegio“ (Öffentliche Bildung ist ein Recht, kein Privileg) oder auch einfach „yo naci rebelde“(Ich wurde als Rebell geboren).


Einige der Graffiti und Sprüche haben auch gar nichts mit den aktuellen Problemen im Bildungswesens zu tun. Sie beziehen sich beispielsweise auch auf Umweltschutz, „es un mundo de plastico y ruido, quiero ser de barro y de silencio“ (Es ist eine Welt aus Plastik und Lärm, ich möchte schlammig und leise sein). Doch es sind nicht nur Texte die nun die Fakultät schmücken. Sie haben beeindruckende Kunstwerke in dem ganzen Gebäude verteilt. Das reicht von Karikaturen von Politikern über Attribute an die indigene Kultur Costa Ricas bis hin zu kleinen Graffitis im Stil von „Banksy“ die zum Nachdenken anregen. Sogar ein Deutsches Wort hat seinen Weg an die Wände gefunden. „Weltschmerz“ wurde in schwarzer Farbe in das Treppenhaus gesprüht.




Aber auch wenn die Studenten die Gebäude momentan besetzen, gehören sie doch immer noch der Universität. Und ich bin mir ziemlich sicher fremdes Eigentum zu bemalen, gilt auch hier in Costa Rica als Sachbeschädigung. Also ist das jetzt „Vandalismus“ der dem Protest seine Integrität nimmt? Machen sich die Studenten damit angreifbar, in dem sie der Regierung die Möglichkeit geben, sich auf ihre unrechtmäßigen Handlungen zu konzentrieren, anstatt sich mit den Forderungen zu befassen?

Ich würde behaupten: “Nein“, das ist Kunst. Denn Kunst ist politisch. Sie ist ein Spiegel der Gesellschaft. Wir drücken uns aus, wollen etwas sagen. Gerade deshalb macht es Sinn, die Fakultät zu bemalen, denn darüber wird geredet. Damit befassen sich die Leute. So verschaffen sich die Studenten Gehör. Eine Universität sollte für so etwas Freiraum geben. Einige der Bilder sind wirklich gut und sollten auf jeden Fall auch nach dem Protest erhalten bleiben. Außerdem sind ein paar Bilder an den Wänden im Vergleich zu den drastischen Kürzungen, die anstehen, und das Leben vieler Menschen komplett umkrempeln würden, gar nichts. Wenn die Proteste vorbei sind kann, das, was der Mehrheit der Studenten nicht gefällt, immer noch übergestrichen werden.

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