Was will ich eigentlich?

von 19 melaia  

Wie schnell die Zeit vergeht: jetzt bin ich schon über 1/3 der gesamten Zeit in meinem Projekt in Las Vegas. So viel, wie in dieser Zeit, habe ich noch nie gefühlt, erlebt und gelernt. Das mag jetzt „kitschig“ klingen, aber dennoch:

seit ich hier bin, lerne ich mich selbst noch einmal ganz anders und neu kennen. Hier in Las Vegas, einem indigenen Dorf ganz an der Grenze zu Panama, bin ich für ein Jahr eingesetzt. Ehrlich gesagt, dachte ich anfangs: “Ohje, wie soll man das nur durchstehen, ich verstehe gar nichts, das Leben hier ist so anders, mit niemand kann ich mich so richtig austauschen.“ Dazu muss man wissen, dass Las Vegas schlecht angebunden ist, es kein Telefonsignal gibt und fast alle ausschließlich Spanisch sprechen können. Die anderen Freiwilligen sind weit entfernt eingesetzt, so dass ein schnelles Treffen nicht so leicht möglich ist. Das erste Mal in meinem Leben bin ich somit auf mich alleine gestellt, keine direkte Rückendeckung von Freunden oder der Familie. Und nie habe ich meine Vorfreiwilligen kennengelernt, so dass es mir unbekannt ist, wie sie in bestimmten Situationen gehandelt haben. Haben sie es besser gemacht? Wie kann ich die Dinge ähnlich machen, wie sie?

Erst durch diese Frage ist mir bewusst geworden, wie stark ich mich doch am Verhalten anderer orientiere und versuche, nachzuahmen. In einer Hinsicht denke ich, es ist wichtig und normal, sich eine ähnliche Verhaltensweise, wie seine Mitmenschen anzueignen. Man kann wahnsinnig viel lernen, mitnehmen. Andererseits ist mir erst jetzt bewusst geworden, wie unsicher und meinungslos ich oftmals als Einzelperson bin, mich einfach der Meinung der Mehrheit anschließe.

Das fängt schon damit an, dass mir zu Anfang das alleine Rumlaufen unangenehm war und manchmal immer noch ist. Oft denke ich, von allen Seiten angestarrt zu werden, was teilweise auch stimmt. Vermutlich liegt es auch daran, dass ich oft nicht auffallen möchte oder ehrlich gesagt, oft auch keine Lust habe, nachzudenken, wie es denn jetzt für mich gut sein könnte.

Ein ganz einfaches Beispiel: in Deutschland habe ich, seit ich klein bin, kein Fleisch mehr gegessen. Dort ist es kein Problem: ein Großteil meiner Familie und Freunde essen kein Fleisch. Es ist also nichts Besonderes: Hier hingegen essen alle Fleisch, es ist fester Bestandteil der Essensgewohnheit. Zu Anfang wurde ich gefragt, ob ich denn Fleisch essen würde. Da mir bekannt war, dass dies eine große Rolle spielen würde, habe ich ja gesagt. Richtig wohl gefühlt habe ich mich damit nie. Als ich zu verschiedenen Häusern eingeladen wurde, gab es oft Fleisch. Nie hatte ich den Mut, nein zu sagen, ich will nicht, dass sich jemand schlecht fühlt oder eingeschränkt.

Jedes Mal habe ich mich danach gefragt: „Was sind Deine Prinzipien? Wozu stehst Du eigentllich?“ Das ist mir oft selbst nicht bewusst. Über Weihnachten habe ich die anderen Freiwilligen besucht, hier sind einige vegetarisch. Beim Zusammensitzen mit ihnen ist mir eine Sache bewusst geworden: so schnell habe ich eine Sache über Borde geworfen, die mir über Jahre so wahnsinnig wichtig war. Aber wieso nur? Einfach, um nicht aufzugfallen, nicht unbequem zu sein.

Seit ich wieder in Las Vegas bin, habe ich allen verkündet, kein Fleisch mehr zu essen, zwar wirft das oftmals noch komische Blicke und unangenehme Situationen hervor, dennoch fühle ich mich nun wieder, wie ich selbst. Und ehrlich gesagt, hätte ich gedacht, dass das ein weit größeres Problem für die Bewohner sein würde.

Seit ich mich klar ausgedrückt habe, wird dies eher als eine Charaktereigenschaft von mir gesehen. Ich versuche nun, mich in Zukunft klarer auszudrücken, was mir persönlich eigentlich wichtig ist. Gleichzeitig aber nicht da Verhalten anderer nicht zu verurteilen.

BlogNo:03

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