Heimweh

von 21 florian  

Vorwort: An alle die diesen Blog lesen wollen: Dies ist eine eher nicht so tolle Idee, der Beitrag ist primär entstanden, um meine Gedanken zu sammeln und nicht, um irgendetwas nützliches dem Leser weiterzugeben. Auch ist er nur einen Momentaufnahme aus einem verwirrten Gehirn, dessen objektiver Teil etwas ganz anderes sagt als der emotionale Teil.

Im Gegensatz zu dem letzten Blog, in dem es ja darum ging, den Leser „fortzubilden“, will ich dieses Mal eine Art Wasserstandsmeldung abgeben. Damit meine ich euch und Ihnen zu erzählen, wie es mir momentan geht. Eigentlich mag ich diese Art von Blogs nicht besonders, da sie mir anspruchslos erscheinen, aber grad erscheint es mir notwendig.

Ich bin jetzt, nach längerem herumreisen und warten, final am Ort meiner Einsatzstelle. Der Ort nennt sich Pozo de Agua und liegt in der Provinz Guanacaste und relativ in der Pampa.

Ach was rede ich hier, lasst uns doch einfach direkt zur Sache kommen und das ganze Geschwafel am Anfang überspringen. Ich sitze hier momentan in meinem Zimmer/Haus/Verschlag, in dem ich wohne, und habe schon nach zwei Tagen hier eine derart dicke Krise, dass ich übers Aufgaben und Abbrechen des Freiwilligendienstes nachdenke. Jetzt mag sich der ein oder andere vielleicht denke, „der Junge ist zwei, also ZWEI Tage an seinem Einsatzort und hat noch nicht mal mit dem arbeiten angefangen und denkt jetzt schon übers Aufgeben nach? Das muss doch ein Scherz von dem sein, er will nur ein bisschen Unruhe stiften...“. Und ich sage allen, ja, ihr habt komplett recht, es ist doch schon ein Treppenwitz, jetzt schon einen Tiefpunkt zu haben.

Aber irgendwie ist es tatsächlich so. Mein erstes Problem ist die Einsamkeit. Ich habe mir in den letzten Stunden überlegt, dass ich wohl entgegen meiner Annahmen des gesamten letzten Jahres scheinbar doch etwas im meinem Leben brauche, was konstant und vor allem bekannt ist. Ich glaube nach meiner Ruflektion in den letzten Stunde, dass ich zum Glücklichsein wohl entweder Freunde um mich herum, oder eine Umgebung, die ich kenne und mag, oder im Optimalfall beides brauche. Noch in Deutschland habe ich meiner Familie öfters erzählt, wo es alles hingehen soll, wenn ich die Möglichkeit dazu habe. Ich habe erzählt von einem Studium in Frankreich oder in England, eben von dem Freiwilligendienst in Costa Rica, oder von einem späteren Leben in einem skandinavischen Land wie Schweden, wo es mir sehr auch sehr gefällt. Dass aber die Auswirkungen, dass mir das oben genannte fehlt, nämlich das mit den Freunden und dem Altbekannten soo sehr zu schaffen machen wird, hätte ich nie gedacht.

Jetzt könnte man natürlich einwenden, dass ich mir einfach ein Paar Ticos (Einheimische als Freunde suchen könnte (durch die sehr offene Kultur sollte es ja eigentlich leichter sein als in Deutschland, Freunde zu finden) oder dass mir meine Gastfamilie und der Ort hier schnell zu einem Heim werden wird. So einfach ist es aber nicht. Dem Freunde finden unter den Ticos steht die extrem tiefe Kluft der Sprache entgegen. Ich verstehe Spanisch entgegen meiner Annahme in Deutschland noch so schlecht, dass sogar das Kommunizieren mit meiner Gastfamilie über simple Dinge fast unmöglich ist. Mir scheint, als hätte sämtliche Stunden daheim vor den Vokabelkarten oder in Videokonferenzen mit einem Costaricaner alles nichts genutzt. Sogar ganz simple, vor allem aber wichtige Sachen, wie was ich nach dem Frühstück machen und wo ich hingehen soll, scheitern an der Sprache. Man kann sich vorstellen, wie es dann mit dem Freuende finden ausschaut. Klar gibt es auch noch die anderen Freiwilligen, mit denen ich mich teilweise auch sehr gut verstehe, vor allem mit denjenigen, die auch in der Provinz Guanacaste sind. Aber ob und wie oft ich die sehen werde, steht auch noch in den Sternen.

Auch vermisse ich mein Zuhause in Deutschland irgendwie mehr, als ich dass mir jemals zu träumen getraut hätte. Das geht bei eher offensichtlichen Sachen los, wie dass momentan Weihnachten ist (Ich mag die Weihnachtszeit sehr, liebe die Weihnachtsstimmung und finde allgemein, dass dies die beste Zeit im Jahr ist) und endet bei ganz merkwürdigen Dingen wie die (wie ich finde) sehr schönen Altstädte, die es in Deutschland gibt, mit ihren Fachwerkhäusern und den Lichterketten im Winter drin und dem pudrigen Schnee, der im Winter fällt (ok, ich gebe zu, wegen Klimawandel und so gibts den auch nicht mehr in Deutschland, aber zumindest irgendwann im Jahr fällt doch mal zumindest ein bisschen Schnee.). Was ich hier beschreibe, nennt sich übrigens Heimweh, da eine solch andere Kultur und Dorf nicht einfach so von jetzt auf gleich heimisch werden kann.

Und wie ich schon geschrieben habe, mindestens ein, viel besser aber beides (Freunde und ein Zuhause) glaube ich, brauch im um glücklich zu werden.

Hier möchte ich mich auch auf ein Gespräch beziehen, welches ich vor drei Tagen mit manchen meiner Mitfreiwilligen und Freunden geführt habe. Es ging dabei um die Liebe, da manche von ihnen Freundinnen zuhause haben. Ich konnte dem Gespräch nicht allzu viel beitragen, da dies bei mir nicht der Fall ist, aber ich konnte ein Eindruck davon gewinnen, wie schmerzhaft es ist, das was man mag zu verlassen. Nach dem Gespräch war ich noch heilfroh, dass ich keine Freundin zuhause habe, die ich vermissen würde. Jetzt scheint es mir aber, dass unserer Situationen vielleicht zumindest im Ansatz vergleichbar sind.

Die dritte Sache, die bei mir noch für Wohlbefinden sorgt, ist eine sinnvolle Tätigkeit zu haben. Tatsächlich weiß der objektive Teil meines Gehirnes, dass es noch viel zu früh ist, um dies zu beurteilen. Aber der Fakt, dass ich seit zwei Tagen ohne jedwede Arbeit in meiner Kammer sitze und mir Willmar (der Chef von Fedeagua, welches die lokale Organisation hier ist) bereits gesagt hat, dass es momentan nicht viel Arbeit gibt, da die Leute im Dezember nur feiern, lässt sich halt nicht so einfach vom Tisch wischen.

Klar wird dies irgendwann besser werden, aber ich sitze im hier und jetzt und weiß weder ein noch aus. Auch habe ich in den Reflektionen der letzten Stunden erkannt, dass ich unter „Sinnvolle Tätigkeit“ meine, etwas konkret für die Natur und gegen den Klimawandel zu tun. Es ist natürlich auch sehr schön und wichtig, etwas für die Menschen zu tun, aber noch wichtiger war es immer für mich, eben den Klimawandel zu bekämpfen oder die Natur zu schützen. Was ich bisher von meiner Einsatzstelle gehört habe, klingt aber eher nach Infrastrukturprojekten hier in der Region, wie zum Beispiel der Bau von Wassergräben für die örtliche Lagune, die für Pozo de Agua ziemlich wichtig ist. Nicht also das, wo ich mir wünschen würde, dass mein Fokus drauf liegt (und auch hier gilt wieder, dass ich eigentlich noch keine Ahnung habe, wie meine Einsatzstelle sein wird, da ich noch gar nicht gearbeitet habe).

Grad, während ich diesen Text schreibe, erinnere ich mich auch nochmal zurück, welch große Reden ich geschwungen habe, von wegen, dass alles kein Problem sein wird, dass mich nichts zuhause hält, dass ich den ganzen Tag Spanisch lernen, Sport machen, die Gegend erkundigen oder arbeiten werde.

Und jetzt sitze ich hier däumchendrehend in meiner Kammer und schiebe depressive Gedanken in meiner Kopf hin und her und arbeite nichts, obwohl ich die freie Zeit eigentlich nutzen sollte, um Spanisch zu lernen.

Die eben genannten Dinge die ich mir eigentlich zum Machen vorgenommen hatte, bringen mich auch schon zur theoretischen Lösung des Problems. Dafür Copy-paste ich einfach mal vollkommen ohne Genehmigung Teil eines Blogs meines Vorfreieilligen, welcher auch in Pozo de Agua war. Der Mensch heiß Lukas und hat im übrigen sehr lesenswerte Blogs geschrieben. Es heißt da:

„Was kann man machen, wenn man eine Krise hat?
- Sport, körperliche Arbeit um das Gehirn abzulenken?
- Mit anderen Menschen darüber reden?
- Eine finale Lösung für das Problem suchen.“

Tja also Sport hab ich schon probiert, hat nur temporär geholfen, und meine Arbeit fängt bekanntlich erst irgendwann an, und dann auch nur so ein bisschen. Mit anderen Menschen drüber reden ist ebenfalls schwierig, da ich die Menschen hier nicht verstehe, die anderen Freiwilligen auch besseres zu tun haben als schon nach zwei Tagen meinem Geheul zu lauschen und die Leute in Deutschland nur eingeschränkt erreichbar sind, da ich hier a) kein Internet und b) nur schlechtes Telefon-Netz habe (In Deutschland habe ich noch gesagt, dass mir schlechtes oder gar kein Internet vollkommen egal sei...wie naiv ich doch war)... Bleibt noch eine Finale Lösung für das Problem zu suchen. Die einzige Finale Lösung des Problems, die mir gerade einfällt, ist keine Schöne, und es muss doch wohl eine andere geben.

Mal sehen vielleicht ändert sich ja meine Stimmung in den nächsten Tagen noch und wird hoffentlich besser, und nach einem Tiefpunkt kommt ja immer auch ein Hochpunkt. Aber momentan ist dies nur ein schwacher Trost.

Ein positive Effekt des Ganzen ist natürlich jetzt schon, dass ich meine Leben zuhause umso mehr schätzen gelernt habe. Aber auch das ist nur ein schwacher Trost momentan.

Nachwort: Eigentlich kann ich nach zwei Tagen keinerlei Aussagen darüber treffen, ob es mir hier gefällt oder nicht, welche Probleme ich haben werde und ob ich mich einleben werde. Aber irgendwie ist mir jetzt gerade sehr unwohl bei dem Gedanken, hier noch acht Monate verbringen zu müssen.

BlogNo:02

2 Kommentare

Kommentar von: florian [Besucher]

Kommentar einen Monat danach:
Mittlerweile hat sich meine ganze Situation sowohl physisch als als auch psychisch beruhigt. Ich habe mittlerweile ein bisschen Arbeit, und mein Projekt ist dabei zu starten. Auch hat sich die Heimweh gelegt und ich habe jetzt auch durch vielfaches Überdenken der Situation selbige akzeptiert. Mal sehen was die Zukunft bringt, aber es ist schon mal gut aus dem Zustand der psychischen Eskalation des Heimwehs raus zu sein.
Auch danke ich sehr für die tröstenden Kommentare, die mich erreicht haben!!

Kommentar von: Carla [Besucher]

Hallo Florian,
Nach langer Zeit habe ich mal wieder hier hereingeschaut und habe deinen Beitrag gelesen - und danke dir dafür!
Ich denke, ich kann verstehen wie es dir geht. “Halt die Ohren steif", hieß einmal Hermanns Rat. Das ist wohl nicht sehr hilfreich, aber ich denke diese dunklen Phasen sind wichtige “Fermentationsprozesse” für Veränderungen - welcher Art auch immer - denn sie reiben (offensichtlich) am Kern.
Alles Gute dir!
Carla

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