Das Gegenteil von „nachhaltig“

von 21 josy  

Die Weihnachtsfeier am Colegio in Rey Curré ist eine Tradition des indigenen Dorfes, und vor allem, so wurde mir gesagt, an die Kinder gerichtet. Diese sehen in erster Linie US-amerikanische Filme und Serien, wenn sie vorm Fernseher sitzen, und der läuft in vielen Wohnungen durchgehend.

Die konsumorientierte Weihnachtskultur der USA brennt sich in die Köpfe der Kinder ein, und dann wollen sie natürlich das gleiche erleben. Auch wenn die Temperatur bei 30°C im Schatten einer Palme liegt. Und die Religion, dessen Fest das hier ist, ihren Vorfahren mit Gewalt aufgezwungen wurde.


Weihnachtsdeko: Weihnachtsbaum und Geschenkestapel darunter, Das Dorf hört sich die Gesangsvorstellung an

Der große Weihnachtsbaum ist ein Metallgerüst mit grüner Netzfolie umwickelt. Die Lichterketten sind auch nur einmal nutzbar, die von letztem Jahr hatten wir zuvor von den Metallgestellen und Plastikkränzen abgewickelt und teilweise sind sie zwischen meinen Fingern zu Staub zerfallen. Die Lichter leuchten in weiß, gelb, blau grün, rot, lila und blinken mit einer Frequenz von 10/s. Ich finde nicht, dass das hier mehr Absurdität hat, als in Deutschland. Vielleicht ist der Baum da nicht aus Plastik, aber viel weniger kitschig ist die Deko auch nicht, und die Mentalität der Leute ist wahrscheinlich noch viel mehr konsumorientiert. Und es werden gebrannte Mandeln aus Californien und Schokolade von der Elfenbeinküste gefuttert und Schnee wird auch immer seltener. Vielleicht ist die Absurdität hier nur besser sichtbar.

Das ganze Dorf, alle Familien sind da, auf dem Schulhof des Colegios. Jede*r kennt jede*n. Tortillas Tostadas und Reis mit Hühnchen werden auf weißen Plastiktellern und sehr süßer Fresco in Plastikbechern ausgegeben, die danach im Müll oder auf der Wiese landen. Im 30 sek. Takt zündet eine Batterie Raketen in die Luft, was zu panisch flatternden Vögeln und heulenden Hunden führt. Die Geschenke, die unter dem Baum gestapelt sind, gehen, meiner Einschätzung nach, zum großen Teil nach zwei Tagen kaputt. Kleine Plastiktrucks, Plastikpuppen, Plastikspielzeug in allen Formen und Farben. Immerhin sind aber auch ein paar Klamotten und Fußbälle dabei.


Frescoanmischung: Aus Sirup und Wasser aus dem Gartenschlauch wird Wassermelonen-Fresco angemischt

Die Geschenke kommen von Spendern, und sind mit Namen beschriftet. Jedes Kind des Dorfes wird einzeln beim Namen aufgerufen, viele heißen Rojas, ein indigener Name, dessen zugehörige Familie es schon sehr lange an diesem Ort gibt. In Curré haben alle zwei Nachnamen, einen der Mutter und einen des Vaters. Meine Gastmutter erklärt mir, früher war es so, dass der vordere Namen des Elternteils, also der des Vaters, an die Kinder übertragen wurde, heute würden es sich die meisten Leute frei aussuchen.


Mond und Lichter: Luna llena prangt über den Blinklichtern der Weihnachtsdeko

Jedes Kind bekommt außerdem eine Tüte mit Süßigkeiten, Früchte suche ich auf der Veranstaltung vergeblich. Auf einer Bühne singen ein paar Kinder zusammen mit den Lehrer*innen des Colegios Weihnachtslieder vor, Feliz Navidad und „Rudolfo el reno de la Nariz rojo“. Das Mikro ist leicht übersteuert. Im Hintergrund sind Lastwagen zu hören, welche über den interamerican Highway brettern.

Der über und über mit Lichtern, Kugeln und Pappe geschmückte Weihnachtsbaum steht neben dem traditionell indigen gebauten Rancho. Die Lemonenbäume und Bananenpalmen sind ebenfalls mit Lichterketten eingewickelt. Auf dem Dach des Eingangs prangt ein auch natürlich mit Lichterkette ausgestattetes Metallgerüst, welches eine Krippe darstellt.

Es ist Warm. Der Vollmond leuchtet hinter dem explodierenden Feuerwerk. Jetzt spielt ein Handy über einen Lautsprecher weiter Weihnachtslieder mit Texten über Schnee und Kälte und Besinnlichkeit. Erdbeereis und Torte werden verteilt.

Ein Junge, der Neffe meiner Gastmutter, fragt mich ob ich an Gott glaube und warum nicht. Und warum ich Weihnachten nicht mag.




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