Tacos statt Klöße – OK zum Preis des Stressvermeidens

von 21 nathalie  

Gestern war Heiligabend. Wir aßen Tacos. In unnötig vielen Schüsseln tischten wir Avocado, Tomaten und angebratenes Gemüse auf, imitierten ein Festmahl. Keiner von uns war weihnachtlich gestimmt, keiner war traurig die traditionelle Festivität zu missen. Den einen Hostelgast, den es hier zurzeit gibt, luden wir einfach so zum Mitessen ein, ganz ohne heiligen Anlass.

Danach gingen wir in eine Bar. Oder naja, wir versuchten es. Auf einer Bank strandeten wir. Dort wurden unsere linken Ohren mit Pop-Musik bespielt, unsere rechten mit dem Klang dieser Hupe, bei deren Einsatz, falls es bis dahin noch nicht eindeutig gewesen war, man spätestens feststellt, dass der musikalische Anspruch dieser Party, der eines pubertierenden Kindes gleicht. Auf das grauenhafte Gedröhne legte sich dann das Gelaber zweier Deutschsprechender. Mit Bierdosen in der Hand, auf einer Bank vor zwei Clubs sitzend haben wir wahrscheinlich zu stark den Eindruck erweckt, wir könnten daran interessiert sein, neue Freunde zu finden. Wir waren dann weg, unser Bier auch. Jay pinkelte beinah noch vor die Nase eines Wachmanns, den wir hinter seiner Scheibe übersehen hatten. Zuhause - ja ich nenne das Hostel schon mein Zuhause, das hat weniger mit meiner emotionalen Verbundenheit zu tun als mit sprachlicher Bequemlichkeit- probierte ich in meiner Heiterkeit noch einen Freund per Videocall zu erreichen und schlief dann doch sofort ein.

Heute ist der erste Weihnachtsfeiertag. Auf meine To-Do-Liste habe ich viele Dinge geschrieben, von denen ich natürlich nichts wirklich geschafft habe. Nicht mal Gitarre habe ich gespielt. Rumgeeiert bin ich dennoch nur kurzweilig: Ich habe Kurkuma in die Cola-Becher gepflanzt, die vorgestern noch mit Guanabana-Saft gefüllt gewesen waren. Die Sätlinge meine kleinen Bebis genannt und Hibiskus in einer leeren Eierpalette gesät. Richtig, das Wort Sätling existiert nicht, ich habe nur wirklich wenig Kenntnisse über irgendwelche Botanik, und meine deswegen eigentlich Setzlinge oder Stecklinge; den Unterschied muss ich noch recherchieren.

Ich habe Wordpress ausprobiert und da rumgeklickt, wollte lesen, hab Koriander zum Trocken gelegt und zum ersten Mal ernsthaft meine Mails gecheckt und nicht nur alle gelöscht. Jetzt ist es Abend, es gab bereits Nudeln mit Tomatensoße und Eis hatte ich auch zum Nachtisch.
Es klingt alles sehr unspannend. Aber eigene Stecklinge – Stecklinge ist der passende Terminus, ich habe gegoogelt – zu ziehen, kommt vielleicht nicht ganz an das überwältigende Gefühl heran, gerade ein Kind geboren zu haben, aber es ist eine Vorstufe, würd‘ ich sagen; nicht das ich schon einen Säugling hätte. Beim Koriandertrocknen kam mir der Einfall, dass es hier einen Solartrockner bräuchte und beim Lesen meiner Mails habe ich das Übersetzungsteam von `The Hill We Climb´ kennengelernt. Das hat ja Anfang des Jahres für große Furore gesorgt.
Ja, so vergeht die Zeit in den Tagen bevor wir wieder irgendwo hinfahren. Ich war in den 31 Tagen seit meiner Ankunft in Terrába, Salitre, Rey Curré, Las Vegas, Crün Shurin und China Kichá. Mitte Januar wird Hermann abreisen. Vielleicht tritt dann ein Status ein, den ich als gewöhnlich bezeichnen kann. Weinachten ist zum Glück morgen auch fast vorbei. Damit ist dann auch das Gefühl endlich fort, dass man noch was Festliches machen müsste. Diese abendländische Tradition abzulegen, auch wenn man sie hasst - ich hasse Weihnachten - ist nicht leicht; auch nicht unter Palmen und Moringa-Bäumen.
Oh, und wie konnte ich das vergessen: gestern habe ich meinen Zimmerboden geschruppt, wie man das aus Pippi Langstrumpf kennt. Zugegeben das Putzen an sich war nicht so klasse, aber dafür umso mehr das Gefühl danach. Dazu muss man wissen, dass ich die Woche zuvor aus hier nicht weiter erwähnenswerten Gründen mit einem feuchten Zewatuch über meinen Boden wischte, und es danach – nicht übertrieben – rabenschwarz gewesen ist. Ich ekelte mich elendig, machte ich nämlich gerade Yoga auf meiner nigalnagelneuen Matte, die sich auf diesem Grund befand.

BlogNo:06

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