Regen und Tamales

von 21 josy  


Rancho - die Frauen organisieren die Kochaktion freiwillig, auch sie haben Kinder, welche das Colegio besuchen

Es fallen bereits ein paar Tropfen während ich die schweren, aus einem Stück gegossenen Gummistiefel überziehe und an einer unreifen Mango kauend beginne am Rand des interamerikanischen Highways entlangzugehen. Es ist heiß, aber nicht so heiß wie die letzten Tage, an denen kein Schatten von dicken, grauen Gewitterwolken gespendet wurde, so wie jetzt. Schwer hängen sie über dem Tal in dem das kleine Dorf liegt.

Ein Transporter rast, in schnellen Intervallen hintereinander den Wolken ähnelnde Rauchschwaden ausstoßend, dicht an mir vorbei. An die Geschwindigkeitsbegrenzung hält sich keines der eine ständige Lärmkulisse schaffenden Fahrzeuge, welche ununterbrochen über den heißen Teer reisen. Ich werfe den Kern der Mango ins Seitenstreifengras und weiche dem Überholmanöver zwei weiterer schwerbeladener Lastwagen aus, welche die kurze gerade Strecke, wo die Straße durch das Dorf führt, nutzen wollen, den das Überholen in den zahlreichen Schlenkern und Kurven bietet ein zu hohes Risiko. Fast ohne Steigungen schlängelt sich der schwarze Weg mit dem gelben Doppelstreifen in der Mitte an Flüssen und Bergen entlang durch den Süden Costa Ricas.

Auf dem Gelände des Colegios von Curré angekommen laufe ich schnell zu dem Garten, in verzweifelter Sorge um die Tomatenpflanzen. Tomatenpflanzen sind sehr anspruchsvoll und es ist anstrengend sie zufrieden zu halten. Ich habe viele Probleme mit ihnen, aber die Wasserflut von oben zerstört sie völlig. Die Blätter und Wurzeln entwickeln Schimmelpilze und die Früchte platzen auf, nur um dann ebenfalls zu schimmeln. Aus dieser Not heraus habe ich viele male versucht ein Plastiktuch über ihnen aufzuspannen, aber jedes Mal bricht das Dach wieder zu Boden. Entweder zieht der Wind so lange daran, dass das Plastik reißt, oder der Regen bildet riesige, schwere Pfützen auf der nicht straff zu spannenden Folie, solange bis die Schnur, mit der die Folie an jeder Ecke festgebunden ist, reißt. Während ich mit Plastikschnur die Rankkonstruktion der Tomaten verstärke, sehe ich am Colegiogebäude wen aus dem Augenwinkel die Hände waschen.

Die Intensität und Größe der Tropfen nimmt zu. Ich schütte die Pfützen des Regens von gestern, die sich wieder mal auf der Folie gebildet haben, halb in einen umfunktionierten Mülleimer, halb auf mich selbst drauf und renne zur Bodega des Gebäudes.


tamalestopf - die Tamales werden traditionell ca. 2 bis 3 h über offenem Feuer gekocht

Dort angekommen, bereits völlig durchnässt, entdecke ich im 30 m entfernten Rancho gegenüber drei mir bekannte Frauen. Auf mein sichtlich erfreutes Winken reagiert eine mit Lachen. Im Rancho brennt ein Lagerfeuer. Im Gegensatz zu den laut zu Boden krachenden Tropfen züngeln die Flammen still unter einem großen Topf. Weißer Dampf vermischt sich über dem Topf emporsteigend mit grauem Rauch und verschwindet langsam durch die seitlichen Öffnungen des Daches. Ranchos sind traditionell indigene Hütten, bestehend aus vier halben Baumstämmen als Stützen, weiteren, dünneren als Balken und einem Spitzdach aus mehr Stämmen und dicht aneinander geschichtete Palmblätter.

Eine der Frauen liegt auf einer der darunter aufgestellten Metallbänke und macht mit ihrem Smartphone ein Video vom Regen. Die zwei anderen Frauen sitzen auf alten Holzstühlen aus Klassenzimmern um sie herum. Eine stützt den Arm anlehnend auf die Bank und schaut in die im Wind des Gewitters tanzenden Flammen.

Wasser tropft mir von den mittlerweile lang gewachsenen Haaren ins Gesicht und läuft dann langsam und kalt mein Wange herunter zum Kinn, wie es auch von den Enden der Palmwedel sekündlich am Rand des Daches herunterläuft. Der Rauch beißt mir in den Augen und Rachen, mischt sich mit dem Geruch von nasser Erde und blühenden Zitronenbäumen.


ein mit Baumwollschnur zusammengebundenes Tamal, jede Familie hat abgewandelte Rezepte und Techniken

Gekocht werden Tamales. Handtellergroße kleine Pakete, zusammengeschnürt mit den Fasern eines Palmblattes und bestehend aus den Hojas de Bijagua, große, dunkelgrüne Blätter welche direkt mit Stiel aus dem Boden an Flussufern hervorwachsen. In ihnen wird Reis und in der Mitte des Reis ein Stück Rind oder Schweinefleisch gekocht.

Mir wurde erzählt, die Tamales mit Arroz sind die originalen des Pueblo Indigena de Brunca. Im Rest Costa Ricas und auch bei anderen indigenen Gemeinschaften werden die Tamales traditionell mit Maismehl gemacht und es werden die Blätter einer bestimmten Bananenart zum Verpacken verwendet.

Mittlerweile hat sich ein kleiner Bach gebildet, welcher sich seinen neuen Weg über die lehmige Erde und das tote Gras bahnt. Ich öffne den Topf mit einem Stück Feuerholz und eine andere Frau beginnt die kleinen grünen Pakete mit einem langen Metalllöffel umzurühren. Fast schmilzt mir der Stiefel in der Hitze, so nah steh ich am Feuer. „Cuantos son? 120?“ - „112“ – „100 para vender y quedan 12 para comer“ sie lacht spitz beim ausprechen der Worte. Ich lehne mich gegen einen der Balken, schnipse eine Ameise von meiner Schulter. „ Te vas a enfermar“ werde ich gewarnt, denn ich triefe vor Nässe. Der Regen hier fühlt sich an, als würden unendlich große Planschbecken über dem Boden entleert. Warm ist es trotzdem noch.

Aus dem Gebäude kommt eine weitere Frau, eine Thermoskanne mit Kaffee und eine Schüssel mit Zucker und Geschirr tragend. Die Tamales werden gekocht um sie zu verkaufen und mit den Einnahmen Wasser, Strom und Gasverbrauch des Colegios bezahlen zu können. Die Frauen machen das freiwillig. Als ich später einer der Frauen helfe Plastiktüten mit abgezählten, heißen Tamales an Häuser im Dorf zu verteilen ist es bereits dunkel.

„Rapido aqui. Muy peligroso esta vuelta“ – Wir überqueren die große Straße, hier „Carretera“ genannt, rennend und sie erzählt mir, dass an dieser Stelle vor einem Jahr ein Señor überfahren wurde. Einfach so, weil die viel zu schnellen Autos hinter der Kurve nicht zu erkennen sind, bzw. die Fahrer*innen auch niemanden auf der Straße erkennen können.

Es regnet weiter, jetzt nicht mehr so stark. Die Plastiktasche prall gefüllt mit Tamales wärmt meinen Rücken. Angesichts der matschigen und vom Regen verwaschenen Erd-Wege, war es definitiv die richtige Entscheidung die Gummistiefel anzuziehen, denke ich mir.

BlogNo:02

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