Darüber, was ich über Indigene und ihre Rechte mitbekommen habe

von 21 nathalie  

Mitte März war ich in Salitre, territorio indígena. Im Dezember kurz vor Weihnachten war ich in Terrába, auch territorio indígena. Terrába besonders umkämpft in den letzten Jahren. Umkämpft klingt eigentlich zu viel. Aber praktisch kämpfen die Indigenen dort schon; um ihr Land zurückzuerlangen. Und praktisch tun die, in dessen Händen das Land derzeit ist, sehr viel dafür, dass das auch so bleibt.

Das hat nicht nur Konfliktpotential, sondern ist auch realer Konflikt: In Terrába erschossen non-indigenas Jehry Rivera am 24. Februar 2020. Ein knappes Jahr zuvor, am 18. März 2019 wurde Sergio Rojas ermordet. Vor Kurzem verletzten non-indígenas, eine Familie - dessen Name bereits bekannt ist für solche Angriffe - eine Gruppe Cabécares, pueblo indígena in China Kichá. Mir wurden Bilder der Verletzten geschickt. Ich hätte mir eine Triggerwarnung gewünscht. So viel Blut. Da wurden Macheten benutzt.

Wegen solcher Geschehnisse und weil Menschen in Bussen der UCR (Universidad de Costa Rica), wie wir, hauptsächlich Mitglieder FRENAPIs* dort gar nicht gern gesehen sind, wird vor Reisen in Indigenengemeinden** immer ein Sicherheitskonzept ausgeklügelt. Das heißt, das Einteilen der Gruppe in parejas (Partner*innen), die sich gegenseitig stets mitteilen, wenn sie sich von der Gruppe entfernen, auf die Toilette gehen etc. pp. Entfernt sich jemand ohne Bescheid zu geben, ist das Grund zur Sorge, auch wenn das präventive Maßnahmen sind. Antizipativ getroffen, damit wir im Falle des Falles vorbereitet, gewappnet, überhaupt mitbekommen, dass jemand fehlt?

Leute der Uni sind nicht gern gesehen, weil sie den Indigenen Flöhe in den Kopf setzen würden und sie in ihren Bestrebungen unterstützen. Flöhe und Unterstützung bezüglich ihrer Rechte. Davon sind Nicht-Indigene Landinhaber nicht begeistert. Weil, das macht Probleme, die sie nicht wollen: Indigene besetzen Land. Solches, das ihnen zusteht. Das Land, das sich unrechtmäßig in den Händen Nicht-Indigener befindet.

Auf dem Papier gibt es diese Ungerechtigkeit nicht mehr. 1977 verabschiedete die Regierung Daniel Oduber´s das Gesetz 6172, La Ley Indígena. Es schreibt den exklusiven Anspruch der Indigenen auf ihre ehemaligen Territorien fest. Das ist das Versprechen. Seine Umsetzung steht aus. Seit 40 Jahren warten die Indigenen Costa Ricas darauf, dass eine der Regierung das Versprechen einlöst. Im März 2020 unterzeichnete Carlos Alvarado Quesada ein Dekret, el plan nacional para la recuperación de territorios indígenas de Costa Rica, kurz Plan RTI. Die Idee war die Umsetzung des Ley Indígena, eine finale; endlich nach so langer Zeit. Seitdem ist nichts passiert. Alvarados Amtszeit neigt sich dem Ende zu. Die Situation der Indigenen bleibt die gleiche.

So geht das seither. Pablo, Mitglied FRENAPIs und Sprecher des Territoriums Salitre fasste es in einer Zusammenkunft mit Delegierten der Europäischen Union, so: “Un Estado costarricense que 40 años, nos ha ignorado, que 40 años ha aprobado leyes, decretos, convenios. Simplemente para el mundo internacional para visualizarse como país en lo que los indígenas son muy bien. Pero realmente, no es así.”

Also besetzen die Indigenen ihr Land, organisieren sich in Gruppen und arbeiten Strategien aus. Ein Territorium zurückzu“erobern“ ist nicht so simpel, wie man es sich vielleicht vorstellt. Es hat aber auch nichts mit erobern im kriegerischen Sinne zu tun. Eine Recuperación läuft gewaltfrei ab, zumindest von Seiten der Indigenen.

Was neben diesem Grundsatz allerdings weiterhin eine Recuperación ausmacht, konnte ich mir nicht vorstellen. Während einer reunión mit Indigenenvertreter*innen wurd‘ ich schlauer. Zwei Jahre plant man so eine Aktion im Schnitt. Eine Menge Dinge gibt es dabei zu bedenken. Besonders, weil es auf den Fincas (Ländereien) häufig keinen Strom und kein Wasser gibt. Es braucht also genügend Menschen. Es braucht eine sichere Nahrungsmittelversorgung, einen Schlafplan, eine Strategie, wie und wo man das Land betritt. Es braucht Zeugen bzw. juristische Begleitung. Es braucht genug Vorbereitung, damit das Land nie allein gelassen wird; während der gesamten Zeit bis zur Legalität. Das dauert lang. Zwei, drei Jahre sind keine Ausnahme.

Pablo sagte auch einmal, dass Recuperaciones eigentlich nicht das seien, was sie gerne machen wollen. Aber, dass sie es machen müssen, wollen sie ihre Kultur retten. Ohne Erde sei sie die nämlich verloren.

* Frente Nacional de los Pueblos Indígenas setzt sich aus Vertreter*innen der verschiedenen Indigenengemeinden Costa Ricas zusammen, arbeitet und bespricht sich gemeinsam vor allem zum Thema Landrechte

** In den meisten Indigenengemeinden/-territorien leben auch Nicht-Indigene, weshalb der Begriff wohl auch nicht ganz zutreffend ist. Worte sind schwierig, was dieses Thema anbelangt.

BlogNo:13

Noch kein Feedback


Formular wird geladen...