Abenteuer abseits der Arbeit

von 21 frederik  

Manchmal geht es in mein deutsches Hirn gar nicht rein, wie hilfsbereit die Leute hier sind. Man hat fast das Gefühl, dass das eine der Sachen ist, die die Menschen hier am meisten stolz macht.

Direkt im Anschluss an den Austausch mit den El Salvadorianern hatten Greta und ich eine Reise in den Manuell Antonio Nationalpark geplant, einen kleinen der vielen Nationalparks hier, der mittig an der Pazifikküste Costa Ricas gelegen ist.

Nur hatten wir bis einen Tag vor Abreise immer noch nicht wirklich eine genaue Vorstellung davon, wie wir denn jetzt genau den Weg dorthin hinter uns bringen sollten. Gut, dass wir unsere Pläne beim Essensvorbereiten im Gespräch der Köchin erzählten, die direkt anbot, den Bruder der Frau ihrer Cousine zu fragen, der uns evtl. mit seinem Auto von einer Bushaltestelle in Puntarenas zur Anschlusshaltestelle ein paar Kilometer weiter fahren könnte.

Und genau so geschah es dann auch. Nach 90-minütiger Busfahrt aus Nicoya aus verließen wir an einer großen Kreuzung den Bus, der weiter nach San José fuhr und ein kleiner, kräftiger Mann mit langen Haaren und Heineken Cappy empfing uns freundlich, angelehnt an sein kleines Auto. Wir banden unsere Rucksäcke aufs Autodach fest, stiegen ein und weiter ging die Fahrt Richtung Bushaltestelle Nummer 2. Er setzte uns direkt vor Ort ab, zeigte uns noch gute Imbisse in der Nähe und erkundigte sich bei der Frau am Schalter, nach den Fahrzeiten der Busse nach Quepos.

Uns blieben etwa zwei Stunden zum Essen und Trinken in einer der kleinen Restaurants, die er uns gezeigt hatte. Irgendwie fühlte es sich nicht richtig an, ihm keine Gegenleistung für alles, was er für uns getan hatte, zu geben, aber er machte überhaupt keine Anzeichen, irgendetwas in diese Richtung zu erwarten und gab uns beiden zum Abschied die Hand und meinte, es hätte ihn gefreut uns kennenzulernen und sich mit uns unterhalten zu können.

Ich aß also meinen Fisch und Greta ihr labbriges, weißes, nach-nichts-schmeckende so betitelte Sandwich (Grüße an den Einfluss der USA in diesem Land) und schlenderten im Anschluss ein bisschen an den benachbarten Verkaufsständchen vorbei. Wenig später bestiegen wir unseren Bus nach Quepos und begannen unsere dreistündige Fahrt. An viel erinnern wir uns beide nicht mehr, weil wir, unmittelbar nach dem Niederlassen im Sitz, einnickten, aber wie auch bei vorangegangenen Busfahrten war auch hier interessant zu beobachten, wie die Qualität der Straßen zu einem Touristenort hin stetig anstieg und, sobald man diesen hinter sich gelassen hatte, stetig abfiel bis man wieder bei der Slalomfahrt um Schlaglöcher angelangt war. Aber wir hatten ja Zeit.

Wir kamen in einem süßen Hostel unter, abseits von den Touristenhotels der, wie wir bald herausfanden, amerikanischen Sportfischer, die auch Grund für einen Jachthafen am Meeresufer von Quepos waren. Regelmäßig finden dort Wettbewerbe statt, da der Schwertfisch neben anderen Exemplaren in hiesigem Gewässer beispielsweise sehr häufig vorkommt. Überall kann man Angeln, Fischerhüte und natürlich auch Fisch kaufen, leider allerdings alles zu amerikanischen Preisen.

Bis Montagmorgen pendelten wir von Quepos immer wir für unter 50 Cent pro Person an den benachbarten Nationalpark und sahen bunte Vögel, Rehe, Faultiere und viele weitere Tiere. An einem Tag meinten wir, die Strecke des Busses doch auch ganz leicht zu Fuß an der Küste entlang laufen zu können. Naja, lief nicht ganz so gut. Irgendwann landeten wir ohne Handyverbindung an einer Bucht, an der wir uns 30 Minuten zu vor doch auch schon gefragt hatten, welchen Weg wir jetzt am besten wählen müssten. Das Wetter gab natürlich mit 35 Grad und stahlblauem Himmel seinen Beitrag dazu und so brachen wir unser Experiment nach einer guten Strecke ab und bahnten uns unseren Weg quer durchs hohe Gras in Richtung des nächsten Hauses, das wir in unserem Umfeld ausmachen konnten.

Dort vermuteten wir einen Zugang zur Straße, wodurch wir wiederum, die Strecke des Busses kreuzen müssten, der uns die restliche Strecke mitnehmen können sollte. Auch wenn das Vorhaben mit Hinsicht auf Hitzeschlag (kein einziger Baum weit und breit) oder Schlangen alles eine ziemlich dämliche Idee war, blieb uns doch nichts anderes übrig und wir schafften es ohne weitere Unannehmlichkeiten zum Haus. Dafür entstanden auf dem Weg aber ganz gute Bilder und Greta kann glaube ich jetzt von sich behaupten, die erste Person gewesen zu sein, die die Hälfte der Strecke zum Nationalpark abseits von Wegen mit Birkenstocks hinter sich gebracht hat.

Am Montag wählten wir für unsere Heimreise einen anderen Weg, als den, auf dem wir hergekommen waren und setzten von Puntarenas auf dem Golf von Nicoya per Fähre auf die Nicoya Halbinsel über. Auch das war ein Erlebnis und zugleich war es imposant, die ganzen kleinen Inseln des Golfes auch mal näher und in Kulisse der Berge auf dem Festland zu sehen.

Die Arbeitswoche war weniger ereignisreich, was aber nicht allzu schlimm war, weil am Wochenende wieder viel auf dem Programm stand. Die Festtage von Nicoya standen vor der Tür und so zog es aus ganz Costa Rica die Menschen, aber auch die 12 „besten“ Stiere in die Stadt. Der ganze Aufbau des Geländes erinnerte irgendwie an Pützchens Markt oder den jeder anderen deutschen Kirmes, nur dass eben in Mitte des Geländes umringt von Fahrgeschäften und Essensständen eine Stierkampfarena stand.
Greta und ich halfen Freitag beim Aufbau eines Stands und späteren Verkauf der Produkte der Mujeres Del Maíz.

Auch das war auf seine eigene Art und Weise wieder ein interessantes Erlebnis. Hier einige Beispiele: Die Plastikwasserrohre, die das Abwasser des Waschbeckens direkt auf den umliegenden Rasen leiten sollten, wurden vor Ort „zusammengeschweißt“, indem man die jeweiligen Enden so lange ins Feuer hielt, bis sie weich und fast schon flüssig wurden, um sie mit dem nächsten Rohr zu verknüpfen. Wellblechdächer wurden mit Nägeln einfach als Art Wand in Holzpfosten geschlagen und zu guter Letzt wurde noch ein Feuerlöscher von unserem Chef höchstpersönlich vorbeigebracht und in die Ecke gestellt, um den Test des Gesundheitsamtes, das regelmäßig die Stände überprüfte, zu bestehen. Dass der Feuerlöscher seit zwei Jahren abgelaufen war, fiel dem Amt aber anscheinend nicht auf, denn der Stand wurde zugelassen.

Samstag standen wir um 4:30 Uhr auf, weil uns Tomás mit Naïs und Zoe im Gepäck eine halbe Stunde später abholte, es ging an den Rio Celeste. Es war wieder beeindruckend, wie sich innerhalb kürzester Distanz das Klima komplett ändern konnte. Eingestiegen ins Auto, mit T-Shirt und kurzer Hose bei 35 Grad, froren wir beim Aussteigen in von Nebelschwaden durchzogener, kühler Luft so sehr, dass sich alle, außer die deutschen Geizhälse beim Eingangsbereich des Schutzgebietes eine neue Jacke kauften. Mit der Zeit stieg die Temperatur dann aber zum Glück so an, dass es sich mit Bewegung und Plastikregenponcho aushalten ließ. Leider schimmerte der Fluss, den man bei der Wanderung und später beim Wasserfall immer wieder zu Gesicht bekam, wegen des schlechten Wetters nicht so türkisblau, wie er eigentlich sollte, trotzdem machte der Trip natürlich Spaß. Wir hatten aber einen eng getakteten Zeitplan, um für die Stierkämpfe am Abend wieder zurück zu sein.

Es war das absurdeste Ereignis, was ich je miterlebt habe: Sowohl die Ränge als auch die kreisförmige Schaufläche in der Mitte war gefüllt mit besoffenen Costa Ricanern. Nach und nach wurden einzeln die Stiere in die Arena gelassen, die dann so lange von den Menschen provoziert, wurden bis sie auf sie losgingen. Wenn die Stiere ausgedient hatten, wurden sie von Cowboys mit Lasso wieder eingefangen und aus der Arena bugsiert, sodass das ganze Spektakel wieder von vorne beginnen konnte. Aber nicht nur das, es gab auch noch Spiele. Nachdem ein weiterer Stier seinen Abgang aus dem kleinen Stadion gemacht hatte, wurden 25 Eimer auf dem Kopf im Quadrat angeordnet in der Mitte der Fläche platziert. Auf jedem fand sich ein Mann mit einem Hemd der Farben Rot, Gelb, Grün, Blau und Weiß ein. Dann wurde das Tor geöffnet und der Stier rammte mit seinen Hörnern je nach Belieben Leute von ihren Eimern auf den Boden. Das Team mit den meisten stehenden Männern nach einer bestimmten Zeit gewann. So einfach und so dämlich.

Flo, der sich auch mit uns den Spaß gab, erzählte, dass am Vortag ein Junge aus seinem Dorf bei dem Stierkampf ums Leben gekommen war und man bereits dabei war, sein Grab auszuheben. Auch an diesem Tag blieben zwei Männer, nachdem der Stier sie von den Füßen gerissen und auf den Boden geschleudert hatte und dann auf ihnen spazieren gegangen war, reglos liegen und mussten von Kollegen aus der Arena getragen werden.

Das perverseste an der ganzen Sache fand ich aber die von Begeisterung und Freude verzogenen Gesichter der Männer, Frauen und Kinder auf den Zuschauerrängen, die sich das ganze begeistert anschauten und wie verrückt bejubelten.

Greta und die anderen Mädchen blieben noch eine Weile auf dem Gelände, Flo und ich fuhren dann um 23:00 Uhr mit dem Taxi nach Hause, es war ein langer Tag gewesen..

„Ich habe das Leben studiert und das Putzen.“
(Hermann, wie er mir nichts tuend beim Putzen zuschaut.)

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