Mein Januar und Februar

von 21 frederik  

Die nächsten Wochen waren weniger ereignisreich als die vor der Quarantäne. Wir arbeiteten regelmäßig unter der Woche und fuhren meist am Wochenende an den Strand.

Als wir eines Abends auf unseren Bus von Nicoya nach Fedeagua warteten, sprach uns eine Costa Ricanerin an: „Are you speaking French?“. Und so lernten wir Melissa kennen. Wir konnten uns nur kurz unterhalten, weil sie bald darauf ihr Vater abholte und nach Hause fuhr, aber Greta und sie tauschten ihr Instagram aus und so verabredeten wir uns bald daraufhin zum Spazieren auf die Hügelketten um Nicoya rum.

Melissa lud auch noch einen ihrer Freunde ein, Tomás, der in der zehnten Klasse für ein Auslandsjahr in der Nähe von Hamburg einen Austausch gemacht hatte und uns bei unserem ersten Aufeinandertreffen erst mal mit einem fröhlichen „Moin!“ begrüßte.

Mit Tomás, Melissa und ihren Freunden treffen wir uns seither häufig und unternehmen viel zusammen.

Unser Chef bot uns eines Tages an, mit zu einer der Mujeres Del Maíz zu fahren, um dort in Person den Prozess des Kochens und Verkaufens der Produkte mitzuerleben und so ein besseres Verständnis für die Arbeit von Fedeagua zu erlangen. Das hörte sich für uns beide sehr interessant an und so willigten wir ein. Am darauffolgenden Tag ging es mit dem Bus nach Coralillo, wo eine der Frauengruppen ihr Essen zubereitet. Abends kamen wir an und wurden warmherzig von Olga empfangen, die uns bereits Essen gekocht hatte und uns alle möglichen Fragen zu Deutschland und unseren Familien stellte und, ob es uns in Costa Rica denn gefallen würde.

Es war super interessant sich auszutauschen und noch einiges mehr über die Region dort herauszufinden. Vor allem Spaß machte aber die Unterhaltung mit ihrer Tochter, die Anfang zwanzig war und jeden Tag nach Nicoya pendelte, um dort im Krankenhaus zu arbeiten. Sie erzählte uns viel über die Kultur hier und war ganz erstaunt zu erfahren, dass wir unsere Metzger, Obsthändler und Bauern nicht beim Namen kennen würden. Sie war es auch, die extra ihr Zimmer freiräumte, damit Greta für die Nacht darin schlafen konnte.

Da die Vorbereitungen am nächsten Tag bereits um 4:00 Uhr morgens anfingen, um das Essen um 8:00 Uhr fertig für den Transport nach Nicoya zu haben, gingen wir nach dem Abendessen zügig schlafen. Mir hatte Olga das Sofa im Wohnzimmer zur Seite geschoben und dort eine Matratze platziert. Nachdem wir uns alle bettfertig gemacht hatten und ich mich hingelegt hatte, merkte ich, dass ich bei den ganzen Lämpchen und Lichtern der Elektrogeräte kaum einschlafen würde. Ich bin so ein Mensch, der es ganz dunkel braucht, um einzuschlafen. Auf jeden Fall war neben Gretas Bett noch reichlich Platz für meine Matratze und so kamen wir auf die glorreiche Idee, sie doch einfach da hereinzuziehen.

Ein paar Stunden später wurden wir von Olga aus dem Schlaf gerissen. Erst waren Greta und ich ganz verwirrt und dachten schon, wir hätten den Wecker um 4:00 Uhr überhört und verschlafen. Olga begann aber direkt hektisch auf uns einzureden, wofür Greta und ich auch zu Beginn noch nicht wach genug waren. Dann wiederholte sie das Gesagte aber immer und immer wieder und zeigte währenddessen demonstrativ auf ihren Ringfinger, an dem sich im Gegensatz zu unseren, ein Ring befand. Nach und nach waren wir dann auch wach genug, die Situation richtig einzuordnen und die losen Puzzleteile zusammenzufügen.

Wir entschuldigten uns daraufhin ausführlich bei ihr und machten klar, dass es uns nicht bewusst gewesen sei, dass man in ihrem Haus und ihrer Kultur nur als verheiratetes Paar in einem Zimmer schlafen dürfe. Ich schlurfte daraufhin wieder mit meiner Matratze zurück ins Wohnzimmer, wo ich trotz der Lichter wegen der großen Müdigkeit direkt einschlafen konnte.

Einige Stunden später, um 4:00 Uhr, war uns Olga aber auch nicht mehr böse und wir halfen mit, das Essen zuzubereiten und hin und wieder natürlich auch zu essen.

Es ist ja jetzt echt schon eine Weile her, aber ich kann mich weder an größere Ereignisse der ersten Wochen des Februars erinnern, noch finde ich irgendwelche Bilder in meiner Galerie, was eher weniger aussagekräftig ist.

Gegen Ende Februar wurde uns jedenfalls plötzlich angekündigt, dass in einer Woche eine Gruppe aus El Salvador nach Costa Rica kommen und auf dem Fedeaguagelände unterkommen würde. Gemeinsam würden wir Workshops zum Thema Umweltbildung und generell der Struktur Fedeaguas unternehmen und deshalb müsse bis dahin alles auf dem Gelände glänzen wie nie zuvor.

Wir bauten gemeinsam mit William neue Tische (aus den vorgeschnittenen Platten für unsere Schränke), kehrten das Gelände und installierten Lampen in der Herberge. Bei letzterem holte ich mir den Stromschlag meines Lebens, was ich, seit man in der Grundschule seine Freunde mit der falschen Kaugummipackung hochgenommen hat, nicht mehr gespürt hatte. Es war aber halb so schlimm und aus eigener Dummheit, weil ich vergaß, die Stromversorgung auszuschalten.

Mit den El Salvadorianern hatten wir eine tolle Zeit. Alle waren super nett, vor allem Gilberto, ein mitte 40-jähriger, kleiner Mann mit zurückgelegten Haaren, der andauern versuchte, seinen Namen Deutsch auszusprechen, das aber nicht so wirklich hinbekam. Es war schon sympathisch, wie er manchmal bei einer Führung beispielsweise plötzlich einfach stehen blieb und in Gedanken vertieft in die Ferne starte und im nächsten Moment versuchte, mit mir Salsa zu tanzen. Ihn vermisse ich ganz besonders, auch wenn er uns über Gretas WhatsApp immer auf dem Laufenden hält, was er denn gerade so macht.

Mit den etwa 12 Gästen hörten wir uns Vorträge von William und anderen Mitarbeitern bei Fedeagua an und fuhren auf Exkursionen, um Projekte, die durch Fedeagua gegründet oder unterstützt wurden, zu besuchen.

Abends wurde gemeinsam gekocht und gegessen und sich über Neuigkeiten des Treibens des Hurensohnpräsidenten aus Russland auszutauschen. Viele hier waren auf einem meines Erachtens erstaunlich guten Stand der Dinge und fragten auch uns, was denn unsere Meinung zu dem ganzen sei.

Die Woche ging ein bisschen zu schnell rum und so saßen bald alle schon wieder im Bus zurück an den Flughafen, natürlich, nachdem uns Gilberto beide nochmal ganz fest umarmt hatte. Zurück blieben nur in den Duschen einige Holzklötze, die sie dort hereingetragen hatten, um an den Regler für das Wasser zu kommen, was ich irgendwie ziemlich süß fand.

„Weißt du, ich hab so das Gefühl, schon zum zweiten Mal, das Web, das mag dich einfach nicht so wirklich.“
(Hermann zu Flo, der im Internet innerhalb kürzester Zeit das gefunden hatte, wonach Flo schon einige Minuten vergebens suchte.)

BlogNo:08

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