Zweieinhalb Wochen Lebenserfahrung, zweimal Paradies - Teil 1

von 22 simon  

Auf ins Nirgendwo! Das war das Motto bevor wir alle (mit mir 6 Freiwillige) nach Las Vegas aufgebrochen sind. Auf Grund eines den Magen betreffenden Infekts konnte ich aber leider nicht mit den Anderen mitfahren, sondern wollte mich lieber noch ein paar Tage ausruhen. Die sanitäre Situation wurde uns zuvor nämlich ausführlichst beschrieben. Da wollte ich lieber gesund hin. Sagen wir es so.

Auf jeden Fall stimmte schonmal die Aussage, dass man dort (an die Grenze zu Panama) einfach von der Außenwelt abgeschnitten ist. Denn nachdem die Anderen los sind und noch eine letzte Nachricht aus dem Grenzort Paso Canoas geschickt hatten, habe ich erst als ich nachgekommen bin wieder mit ihnen kommunizieren können. Naja. Ganz ehrlich, das hat keinem von uns geschadet, es ist erstaunlich wie kreativ man wird, wenn man kein Internet hat. Also, ich bin dann angekommen (abends) und, weil die Anderen eben schon länger da waren, haben wir am nächsten Tag auch direkt angefangen zu arbeiten. Die Kennlernphase hatte ich verpasst. Das habe ich dann aber die nächsten Tage nachgeholt, während wir alle mit den Söhnen von Marcos zusammengearbeitet hatten.

Das erste Projekt war dann auch direkt eine Toilette sehr dicht an dem Schlaf- und Wohnhaus und der Küche. Was wir alle nicht wussten, war, dass diese Toilette Wasserspülung und ein Betonfundament haben sollte. Außerdem noch eine Dusche, natürlich auch mit Leitung. Das Wasser dafür nehmen sie einfach aufgrund der Tallage von einer Quelle in den Bergen. Mit einfachen Leitungen runtergeleitet.

Allgemein war die Wassersituation sehr gut. Das gehörte sogar zu den Sachen, die dort besser waren als in San José oder Deutschland. Obwohl es sehr berechtigt wäre jetzt zu fragen, ob nicht alles an sich besser war als überall sonst, weil es Costa Rica + eine sehr nachhaltige Lebensweise ist. Aber auch wenn man das hinterfragen kann, war eben der Strom- und Internetanschluss direkt bei Marcos gar nicht vorhanden. Für Strom musste man in die Schule, für Internet auf einen ein paar Kilometer entfernten Berg gehen.


Diese Zweige einer Palme werden als Dachbedeckung verwendet

Während wir dann also am Buddeln und betonieren waren, hatte Marcos schon angefangen eines der Ranchos zu bauen, die bis zum 26.11. fertig sein mussten, damit für alle Gäste Toiletten und Schlafstädten gewährleistet werden konnten. Genau diese Art und Weise zu arbeiten haben wir später auch immer angewendet. Entweder hat uns Marcos gezeigt wie wir etwas machen sollen, oder wir waren schlicht Material holen (Kies, Holz, Palmenblätter), während Marcos und seine Söhne schon alles verbaut oder neu angefangen hatten. Diese Überlegung hört sich so einfach an und das ist sie auch, bevor wir sechs aber da waren, war diese Teilung einfach nicht in so großem Stil möglich und hat somit Abläufe und Zyklen echt beschleunigt. Als Beispiel nochmal die einfache aber eben sehr entscheidende Rechnung, wenn wir Palmenblätter geholt haben. Jeder von uns hat vielleicht drei große Wedel genommen, dann sind schon mit einem Mal 18 Stück da. Und das sind einfach 18 mehr als ohne uns. Man kann also echt sagen und das haben wir auch jeden Tag festgestellt, dass man sieht was man sehr schnell schafft, jeden Tag mehr und eben echt eine Hilfe ist.

Marcos Familie ist dazu auch noch so nett. Alle lachen gerne, reden sehr gerne mit einem und man macht sich gemeinsam über das Eigene schlechte Spanisch lustig. Falsch ausgesprochene Wörter werden zu Insidern, man spielt Fußball und hat auch beim Arbeiten Spaß und macht seine Witze. Vor allem darüber, über das zusammenarbeiten und bei allem einfach offen, nett und fröhlich zu sein und ihnen das ehrliche Gefühl zu vermitteln einfach glücklich zu sein egal wo man wie und mit wem ist, wurde man vielleicht nicht in die Familie aufgenommen, das Gefühl wurde einem aber vermittelt und das hat alles noch bestärkt.

Wir als Team aus sechs Freiwilligen sind auch mehr zusammengewachsen. Man hockte ja immer aufeinander und hatte eigentlich keinen Raum nur für sich. Aber stattdessen hat man eben Zeit zusammen verbracht. Wenn es auch das abendliche Lesen am großen Tisch war. Man konnte mit allen gut arbeiten und niemand hatte mit irgendjemandem Stress. Alle waren sehr offen und jeder war sehr bedacht darauf Fettnäpfchen zu umgehen, wie z.B. die Frage nach dem Preis des eigenen Handys. Und das hat so gut funktioniert, dass man nie bewusst die Familie vor den Kopf gestoßen hat, zumindest hat das nicht gemerkt.


Hier steht noch viel Wald. Und dazwischen sind kleine Flächen für Anbau.

Man hatte auch die Zeit sich über vieles Gedanken zu machen. So zum Beispiel über die landwirtschaftliche Nutzung der Fläche, die Marcos anwendet im Vergleich zu der in Deutschland. Das ist wegweisend du zukunftsträchtig. Man baut so viel an, wie man braucht, dass man jede Woche ernten geht und für die ganze Familie Essen hat. Man hat diese Fläche im Regenwald und baut spezielle Pflanzen an, sodass das alles auch für die Tiere Nahrung ist. Man hat diese speziellen Pflanzen, die sich gegenseitig begünstigen. Und man kann die Blätter der geernteten Pflanzen aufgrund des Klimas und des Regenwaldes einfach auf den Boden werfen und sie dienen den anderen als Dünger.

Und genau das ist die zukünftige Landwirtschaft für die Welt. Natürlich ist das in Europa nicht so möglich, weil wir keinen Regenwald haben. Aber die Idee, für sich so viel wie man braucht im Einklang mit der Natur anzubauen, ist die Lösung auf die wir hinarbeiten müssen, damit man noch ne Chance hat. Und dann hat einem diese Zeit und diese Menschen allgemein gezeigt wie man leben kann, glücklicher sein kann und ein erfüllteres Leben haben kann. Diese ganzen Erfahrungen wird man nie vergessen, man wird sich immer daran erinnern und man wird immer von ihren zehren.

Das klingt jetzt alles so perfekt schön ohne irgendwelche negativen Sachen. Aber es gab einfach nichts Negatives. Alles war im Endeffekt immer positiv. Ohne die Kakerlaken könnte ich jetzt nicht erzählen, wie mir eine im Schlaf auf den Kopf gefallen ist. Ohne Skorpione könnte ich nicht erzählen wie einer in meiner Hose war. Durch eigentlich alles aber besonders durch das Essen haben wir gemerkt wie scheiße reich und abgehoben wir in Deutschland leben. Das war aber schon auch das, was wir allgemein am meisten vermisst haben. Durch fehlenden Strom und fehlendes Internet hat man andere Dinge gemacht, der Tag war ausgefüllter. Durch die harte Arbeit hat man einen Sinn im Alltag gefunden. Das einzige was wirklich irgendwann gestört hat war die Kombination aus Dreck und Nässe, weshalb eben alles entweder nass (und damit Gefahr lief zu schimmeln) oder dreckig war (was alleine irgendwann egal war) oder (meistens) beides (das war dann nicht mehr schön). Aber auch das hat einen da nicht weggejagt.

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