Tag der Schlachtung
Am 05. August 2023 sollte ich ein Schwein schlachten. Ich befand mich zu dieser Zeit in China Kicha, einem indigenen Dorf der Cabecar zentral südlich von Costa Rica, in der Nähe der Stadt Perez Zeledon. Da ich im Vorhinein schon mit vielen Leuten darüber gesprochen habe, dass ich in Costa Rica schon einmal ein Huhn getötet habe und gerne mal die Erfahrung machen würde, ein Schwein zu schlachten, wurde mir von Juan, meinem Nachbarn, angeboten dies auch zu tun. Die Eltern von Juan besaßen ein Schwein, welches bereit war geschlachtet zu werden.
So kam es, dass ich an jenem Morgen um 6:30 Uhr von meinem Wecker geweckt wurde, um pünktlich um 7 Uhr zur Hinrichtung eintreffen zu können. Nachdem ich wie gewohnt noch 10 Minuten in meinem Bett schlummerte, musste ich dann wirklich endgültig aufstehen, damit ich mich nicht all zu sehr verspäte. Außer mir war im Haus sonst keine andere Person wach, was normalerweise nie der Fall war. Doch wir hatten Wochenende und an diesen Tagen haben die Leute im Dorf arbeitsfrei.
Ohne Frühstück und Kaffee machte ich mich in der Morgensonne auf den Weg zum Ort des Geschehens, auf das Grundstück von Juans Eltern. Auch wenn ich noch ein wenig träumerisch war, habe ich wie fast immer super geschlafen. Die Nebelschicht hing immer noch in den Gipfeln der Berge und, während die Vögel um mich herum lautstark ihre Morgengesänge praktizierten, versuchte ich mich an die Tipps und Hinweise von Juan zu erinnern. Die Nacht davor lud er mich nämlich auf ein paar Tassen Chicha zu sich in sein Haus ein, um den genauen Ablauf der Schlachtung zu erklären.
Die morgendliche Stimmung war himmlisch, die Temperatur war in dieser Frühe noch sehr angenehm und als ich ankam, waren alle helfenden Kräfte schon vor Ort. Mina, die Frau von Juan, war schon bereits dabei einen großen Topf mit Wasser über dem Feuer aufzusetzen, während wir uns darum kümmerten die Messer zu schärfen. Das zu schlachtende Schwein habe ich bereits vorher einmal zu sehen bekommen. Ich war sehr überrascht als mir gesagt wurde, dass es gerade erst 4 Monate alt war. Doch für dieses Alter, hatte das Vieh schon ordentlich Speck auf den Rippen gehabt.
Nachdem das Wasser heiß war, ging es dann zum Schlachten. Während Juan ein Strick um den Hals von dem Schwein band, lockte Raul es aus dem Stall mit ein wenig Reis. Ich wartete bereits mit dem Messer in der Hand an der zum Schlachten vorgesehenen Stelle. Als das Schwein in Position gebracht war und nichtsahnend den Reis aus einem aufgeschnittenem Gallon fraß, holte Raul mit einer Axt aus und schlug gewaltig mit dem anderen Ende auf den Schädel zwischen den Augen des Viehs, sodass es bewusstlos und zitternd zu Boden fiel. Ab da an ging alles plötzlich super schnell.
Während Juan mit dem Knie den Kopf zu Boden drückte, schnappte sich Raul die Hinterbeine, um diese zu fixieren. Nun war mein Einsatz gekommen. So wie es mir Juan erklärte suchte ich den Punkt zum Einstechen an der Kehle und stieß das Messer in den Körper des Schweines, in der Hoffnung das Herz zu treffen. Ich hätte nicht damit gerechnet, dass es dabei so einen schrillen Schrei von sich geben würde, was mich anfangs überraschte und auch ein wenig erschreckte, da ich dachte es sei bewusstlos. Jedenfalls ließ ich mich davon nicht ablenken oder beirren und führte meine Aktion durch. Während ich mit dem Messer eindrang, versuchte sich das Schwein zu wehren und fing an mit allen Gliedern zu strampeln und probierte sich loszureißen. Da leider beim ersten Messerstich nicht viel Blut herausfloss, musste ich ein weiteres Mal tief zustechen, um an das Herz zu gelangen. Dieses Mal drehte ich dabei auch das Messer wild nach links und rechts, so wie es mir von ein paar Leuten auch empfohlen wurde. Gefolgt von einem Elendsschrei und wildem Quicken schoss dieses Mal Blut aus der Wunde, sodass Juan direkt dieses mit einer Schüssel auffing. Scheinbar habe ich dieses Mal das Herz getroffen.
Nach dem dritten oder vierten Stich begannen die Reaktionen des Schweins sich von einem Zappeln und Treten zu einem Zittern zu ändern und das Geschrei verstummte allmählich zu einem Stöhnen, Schnaufen und Röcheln. Zu guter Letzt zog ich das Messer noch einmal einige Zentimeter Richtung Kopf, um es endgültig hinzurichten. Daraufhin floss das letzte Blut aus der Stichwunde, die Geräusche des Schweines wurden immer leiser und leiser und auch die Bewegungen verlangsamten sich, bis alle Gliedmaßen letzten Endes ganz still und leise zu Boden sackten.
Direkt im Anschluss überkochten wir das tote Vieh mit dem kochenden Wasser, sodass wir die Haare mit unseren Messern abschaben konnten. Anschließend wuschen wir die Haut mit sauberem Wasser, Limetten und Salz und häuteten es im Anschluss. Danach nahmen wir die einzelnen Gliedmaßen Stück für Stück auseinander, schnitten den Bauch auf und nahmen die Innereien aus dem Brustkorb. Alle einzelnen Körperteile legten wir dann auf den aus Türen provisorisch errichteten Tisch, welchen wir vorher noch mit Bananenblättern abdeckten. Im Vergleich zur Schlachtung einer Kuh, war der Prozess etwas unspektakulärer und weniger blutig. Auch die Dauer bis zum endgültigen Tod dauerte bei diesem Schwein nur wenige Minuten.
Zerlegung des Schweins
Im Anschluss briet Mina über dem Feuer mit etwas Schweinefett die frischen Hautstücken mitsamt der Lunge, Leber und noch einem anderen Organ an, um es uns und den anderen Menschen mit Yuka zu servieren. Mittlerweile waren wir fast zwanzig Personen auf dem Grundstück, da sehr viele zum Zuschauen und später für das Essen gekommen sind. Denn so wie jedes Mal war auch diese Schlachtung etwas Besonderes im Dorf. Jedenfalls waren diese Chicharrones mit die besten, die ich je in meiner Zeit in Costa Rica gegessen habe. Auch die restlichen Organe, auch wenn ich diese vorher in meinem Leben noch nie probiert habe, schmeckten mir unglaublich gut.
Wie ich von Juan im Nachhinein dann erfuhr, wird es weitere Schlachtungen zur Weihnachtszeit geben, da in diesen Tagen sehr viel Schwein gegessen wird. Ich gab ihm dabei mein Wort, dass ich ebenso wie dieses Mal bei den folgenden Schlachtungen dabei sein und mithelfen werde.
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