Irgendwo zwischen Vorurteil und kollektiver Versteiftheit

von 24 luisa  

Wenn Menschen mir mit der Aussage kommen, Deutsche seien unfreundlich oder wenig herzlich, dachte ich mir bisher immer: Klar, sind wir auf unsere Art und Weise vielleicht eher kühl und etwas voreingenommen, aber trifft das nicht auf die meisten Menschen, zumindest Fremden gegenüber, zu? Außerdem ist mir ist zu Nachbarländern wie Frankreich oder Österreich nie ein signifikanter Unterschied im Umgang miteinander aufgefallen.

Seit meiner Reise von München nach Atlanta habe ich ein paar neue Erfahrungen dazu gemacht und möchte diese gerne mit euch teilen. Aus meinem Alltag bin ich es gewöhnt, mit Menschen, denen ich an Bushaltestellen begegne oder die mir den Weg irgendwo hin zeigen, in der Regel nicht in ein persönliches Gespräch einzusteigen. Auch Kellner:innen, Kassierer:innen oder Eisverkäufer:innen in Deutschland erledigen ihren Job entweder mit einer gewissen nüchternen Freundlichkeit oder in nicht seltenen Fällen eben auch Unfreundlichkeit. Ich selbst möchte mich da gar nicht rausnehmen, denn alle eben genannten Berufe habe ich selbst auch schon ausgeübt und definitiv nicht an allen Tagen das Gegenbeispiel repräsentiert.

Da ich also weiß, wie es ist, sich mit Menschen rumzuschlagen, die sich als Kunden das Recht zu Allem herausnehmen, gilt mein größter Respekt Flugbegleiter:innen. Ich bin mir ziemlich sicher, dass an die 100 Menschen auf engstem Raum eingepfercht alles andere als angenehm sein können. Dennoch hat die Freundlichkeit der Boardcrew von Atlanta nach München (einer amerikanischen Airline btw) so ungezwungen gewirkt und jede Interaktion sei es beim Essen oder durch irgendeine Frage war weit entfernt von Genervtheit. Nun könnte man natürlich annehmen, nach ein paar Jahren Arbeitserfahrung auf einem Flugzeug, sind die schauspielerischen Fähigkeiten broadwayreif und ich als Außenstehende bin auf den Schein reingefallen.

Doch angekommen am Flughafen in Atlanta ist mir zum Ersten Mal in dem Ausmaße aufgefallen, wie sehr die kulturellen Gegebenheiten um uns herum unser Verhalten prägen. Fast alle Menschen, mit denen wir geredet haben, sei es an der Passkontrolle, am Gate oder im Shuttle vom einen Teil des Flughafens zum anderen, sind uns auf Fragen unsererseits oder einfach nur durch freundliches Grüßen mit einer ansteckenden Positivität begegnet. Die Leute waren interessiert an uns und unserer Reise und selbst als wir dummerweise zum falschen Gepäckabholspot gelaufen sind hat uns eine Mitarbeiterin durch den halben Flughafen geführt, damit wir unser Gepäck finden.

Ein Mitarbeiter hat uns nach der Nacht auch wiedererkannt und nochmals kurz in ein Gespräch verwickelt. Wir haben auch mitbekommen, wie ein Flughafenmitarbeiter mitten in der Nacht eine weinende Frau getröstet hat, die -soweit wir es richtig mitbekommen haben- ihr ganzes Hab und Gut inklusive Ausweisdokumente verloren hat. In Atlanta ist man auf alle Fälle nach nur wenigen gewechselten Worten direkt zum ´Bro´ oder zur ´Sis´ der Leute geworden und allein schon diese Art des Slangs hat irgendwie immer direkt einen Draht zwischen den Menschen hergestellt, für den wir in Deutschland irgendwie einfach zu versteift sind.

Natürlich kann man eine Nacht in Amerika nicht in Relation zu 19 Jahren in Deutschland setzen und außerdem ist Atlanta logischerweise nicht repräsentativ für ganz Amerika. Vielleicht wurde meine Wahrnehmung auch durch das sowieso schon geltende Vorurteil, dass Deutsche unfreundlich seien beeinflusst. Aber der 18 stündige Aufenthalt ist mir auf alle Fälle besser in Erinnerung geblieben als ich es erwartet hätte.

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