[Wahl] Guanacaste, 689 Jahre lang Mobbing-Opfer.

von manali_12  


Der 25. Juli ist seit 689 Jahren der Jahrestag der Anexion Guanacastes. Damals entschied sich die Provinz, zu Costa Rica statt zu Nicaragua gehören zu wollen. Natürlich wird ein solches Jubiläum gefeiert, und auch wenn letztes Jahr nun nicht gerade ein runder Geburtstag anstand, planten die Veranstalter ein großes Fest, denn auf der Gästeliste stand auch die Präsidentin der Republik, Laura Chinchilla;

der Präsidentinnenbesuch ist ein taktischer Schachzug in der politischen Vorbereitung der nahenden Präsidentschaftswahlen, der sich scheinbar alle vier Jahre wiederholt. Die restliche Zeit ist Guanacaste, die zweitärmste Provinz Costa Ricas, ebenso weit von der politischen Agenda entfernt, wie alle anderen Provinzen / Kantone, die sich außerhalb des Metropolraums um San José befinden – so funktioniert es eben in einem zentralistischen Staat und Costa Rica ist ein Paradebeispiel eines solchen. Um 11 Uhr am Morgen des 25. Juli wollte Laura Chinchilla also „ausnahmsweise“ im Rahmen der Anexionsfeierlichkeiten im Park von Nicoya in Erscheinung treten.

Für die politischen Gegner Chinchillas war dies ein willkommener Anlass, ihre Unzufriedenheit über die Regierungsbilanz zum Ausdruck zu bringen und eigene politische Forderungen für die Entwicklung Guanacastes öffentlich zu machen – direkt den Verantwortlichen gegenüber. So kamen, wie fast schon üblich zu solchen Anlässen auch eine große Zahl UnterstützerInnen der linken Partei Frente Amplio sowie deren prominenster Kopf: ihr aktuell einziger Abgeordneter und Präsidentschaftskandidat Jose-Maria Villalta. Den Verantwortlichen dieser Oppositionspartei wurde vorgeworfen, die Anexionsfeierlichkeiten zu einer politischen Wahlkampfveranstaltung umzufunktionieren, und die Bürger gegen die amtierende Präsidentin "aufzuhetzen".

So ganz von der Hand zu weisen ist das nicht: Selbstverständlich waren die Führungspersonen von Frente Amplio in Guanacaste an den Protesten beteiligt. Selbstverständlich ist eine friedliche Demonstration aber auch etwas, an dem jede Bürgerin oder jeder Bürger eines Landes letztendlich aus freiem Willen teilnehmen sollte (ich konnte nicht beobachten, dass die Protestierenden zum demonstrieren gezwungen wurden), und schließlich ist es fast schon die Pflicht einer Partei, die verspricht, Klientelismus und Korruption in Costa Rica beämpfen und sich stattdessen für die Belange des kleinen Bürgers und der Arbeiter einsetzen zu wollen, politische und soziale Missstände anzuklagen.

Zu den dringendsten Problemen in der Provinz Guanacaste, deren Lösung die DemonstrantInnen forderten, gehören:

  • Der Ausbau der schlechten Infrastruktur der Straßen, von denen 50% in der Provinz Schotterpisten sind.
  • Die Trinkwasserverseuchung mit hochgiftigem Arsen in einigen Ortschaften, bzw. der Bau einer neuen, sauberen Wasserversorgung, ohne die Kosten auf die Betroffenen abzuwälzen.
  • Die Genehmigung des TECOCOS-Gesetzes. [verlinken – TECOCOS-Blog Miri]
  • Der notwendige Wiederaufbau vom durch das Erdbeben von Nicoya im vergangenen Jahr zerstörter Infrastruktur. [verlinken – Blog zum Erdbeben (Marcus?)]
  • Der Ausbau des Krankenhauses von Nicoya, dem es unter anderem an medizinischen Instrumenten und Fachpersonal fehlt, so dass eine angemessene Behandlung der PatientInnen nicht möglich ist.
  • Ungerechte Steuerbelastungen für Einkommensschwache und in Armut lebende Familien in Santa Cruz.

An den Protestaktionen zu diesen Themen beteiligten sich auch unsere Projektpartner in Nicoya. Sie waren mitverantwortlich für die Organisation und Planung der verhältnismäßig großen Gegendemonstration, die Donnerstags morgens vor dem Krankenhaus von Nicoya startete und um 11h im Park der Stadt mit Laura Chinchilla zusammenstoßen sollte. Am Vortag der Demonstration wurden daher in der Projektstelle in gemeinschaftlicher Arbeit von etwa zehn DemonstrantInnen, unterstützt von zwei WeltwärtslerInnen, Plakate und Transparente entworfen, geklebt, bemalt und zusammengebaut; Die Stimmung war gut und alle waren motiviert, bis nachmittags die Nachricht aufkam, dass Frau Chinchilla ihren Besuch vom Morgen auf den frühen Abend des 25. Juli verschieben würde.

Einerseits bedeutete dies einen symbolischen Sieg der Chinchilla-Gegner, denn es war offensichtlich, dass die Präsidentin sich auf diesem Weg der direkten Kritik und den Protesten entziehen wollte. Andererseits war es aber auch eine Niederlage: Die teilweise von weit her kommenden DemonstrantInnen würden ihre Pläne nicht so einfach kurzfristig ändern können, viele würden die Motivation verlieren, und ohne die Aussicht auf ein direktes Zusammentreffen mit "Doña Laura" erst gar nicht mehr zur Demonstration anreisen. So war die Demonstration am 25. Juli dann auch nicht größer als in den vergangenen Jahren, und statt der erhofften 5000 DemonstrantInnen kamen eher weniger als die etwa 2000 der vergangenen Jahre. Dennoch kann sie aus den Augen der Veranstalter als Erfolg betrachtet werden, denn die unerhofft niedrige Teilnehmerzahl tat der Intensität der friedlich zum Ausdruck gebrachten Forderungen keinen Abbruch.

Laura Chinchilla ging in ihrem Auftritt am Abend mit keinem Wort auf die politischen Forderungen ein. Sie sprach stattdessen unter anderen Belanglosigkeiten über die Frauen, die die traditionellen Speisen Guanacastes zubereiten, womit sie wieder einmal (und wahrscheinlich, ohne es zu bemerken) die festgefahrenen Geschlechterrollen manifestierte, die hierzulande vorzuherrschen pflegen.

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