Vulkanwanderung zum Jahreswechsel

von chris_10  

Wie könnte man seine Silvesterplanung mal anders gestalten? Zum Beispiel kann man einen netten Spaziergang machen und dabei die Natur genießen. Oder zur Abwechslung in einem Bergsee baden? Am 31.12.2010 haben wir beides kombiniert. Aber die wetterlichen Voraussetzungen im warmen Nicaragua verleihen dieser Idee auch deutlich mehr Reiz als eine Realisierung im kalten, schneebedeckten Deutschland.

Um 7.30 Uhr sollen alle bereit stehen. Es geht auf den Vulkan Maderas (1394m). Wir starten von der Finca Magdalena, die knapp hundert Meter über dem Meeresspiegel liegt. Da wir viele Leute sind, zahlen wir pro Person für die Tour mit lokalem Guide 5 anstatt 10 Dollar und bekommen sogar noch einen zweiten Führer dazu, damit wir eventuell in unterschiedlichem Tempo gehen können.

Um 8.10 Uhr sind endlich alle fertig für den Marsch. An diesem Tag, der keine konkrete Arbeit, sondern lediglich Besprechungen, Selbstbildung und ein wenig Aktivität in der Frühe verlangt, kann man da schonmal ein Auge zudrücken.

Unsere beiden ortskundigen Begleiter heißen Abel und Elmer. Beide sind auf der Insel Ometepe aufgewachsen und bieten schon seit vielen Jahren diese Touren für die Finca Magdelena an. Während Abel bei der kommenden Wanderung vorne den Weg zeigt, wird Elmer stets der letzte Mann bleiben, damit alle Beteiligten immer einen Führer in der Nähe haben.

Bevor es endgültig losgeht, bekommen wir noch eine kleine Einführung darüber was uns an dem Tag erwarten wird. Es sind etwa 1300 Höhenmeter zu bewältigen. In der Regel geht’s natürlich bergauf. Wir werden drei unterschiedliche Vegetationsformen durchwandern. Bis auf etwa 400 Höhenmeter bewegen wir uns im trockenen Regenwald. Diese Grenze bedeutet gleichzeitig auch, dass Jäger dort nicht mehr ihrem Handwerk nachgehen dürfen, da in dem folgenden Abschnitt die artenreichste Fauna der Insel zu finden. Ab hier an aufwärts befindet sich nämlich tropischer Regenwald bis auf etwa 800m. Auf den letzten Metern bis zur Spitze erwartet uns dann feuchter Regenwald.

Nach nur wenigen Minuten zwingt ein eindrucksvolles Highlight zur Fotopause. Ein etwa 400 Jahre alter Guanacaste-Baum liegt mitten auf unserem Weg. Selbst liegend überragt uns noch der Stamm des Urwaldriesen. Dann geht es weiter. Wir passieren zunächst die Kaffee-Plantage der Finca an die weiter oben eine Kakao-Plantage angrenzt. Innerhalb weniger Minuten nach dem riesigen Baum sichten wir einen wunderschönen Bananenfalter, einen lautstarken Mantelbrüllaffen und einen neugierigen Weißschulterkapuziner-Affen. Der Aufstieg geht echt gut los!

Mit jedem Meter den wir aufwärts steigen, wird jedoch auch das Wetter schlechter und so werden nach und nach die warmen Klamotten übergestreift. Auf einer Höhe von knapp 600m ist es schon spürbar kälter und nasser. Aber die Vegetation wird dabei gleichzeitig interessanter und offenbart immer wieder neue Schönheiten, die auch das Mistwetter nicht verstecken kann.

Im weiteren Wegverlauf entdecken wir u.a. einen interessanten Farn namens „cola de mono“ (dt: Affenschwanz) und beobachten eine kleine aufgescheuchte Schlange, die ein Versteck sucht.

Als wir den fließenden Übergang vom tropischen Regenwald zum feuchten Regenwald passieren, stehen wir plötzlich vor einem kleinen, verwitterten Schild. „Hier beginnt der Zwergenwald“ ist die Aussage, die uns vermittelt wird. Leider kann man nicht mehr lesen, was die Erklärung für den Zwergenwald ist, doch Abel hilft uns auf die Sprünge. In dieser Höhe ist der Wind so stark, dass zu große Bäume ein leichtes Opfer wären und man daher eher kleinwüchsige Bäume findet, die außerdem selten gerade nach oben wachsen, sondern oftmals verdreht sind. Uns präsentieren sich einzigartige Bilder von nie gesehenen Bäumen, die keine Blätter tragen, dafür aber von oben bis unten mit Aufsitzerpflanzen (Epiphyten) bestückt sind.

Insgesamt haben wir knapp drei Stunden für den Aufstieg benötigt und nutzen die einzigartige Gelegenheit eines Kratersees für ein frisches Bad. Allerdings ist das Badevergnügen eher von kurzer Dauer. Der See stellt sich nach wenigen Schritten eher als Schlammloch heraus, dass uns alle in leicht schwefeligen Duft einhüllt und zudem so kalt ist, dass nach nur zwei Minuten die Muskeln einen Streik ankündigen.

Nach dem Abtrocknen und einer kleinen wohlverdienten Mahlzeit, ging es an den Abstieg. Doch die Entdeckungsreise war noch nicht vorbei. Das Highlight war ohne Zweifel die Pflanzenart Ardisia ometepensis. Sie ist nur auf der Insel Ometepe zufinden, ist also endemisch. Abgesehen von dieser Pflanze gibt es auch noch eine endemische Salamanderart (Bolitoglossa insularis). Diesen beiden Schätzen komt es hoffentlich zugute, dass die Insel im Jahr 2010 von der UNESCO zum Biosphärenreservat ernannt wurde. Die Insel steht also zu weiten Teilen unter Naturschutz.

Kurz vor Ende der Wanderung offenbart sich uns noch eine wunderbare Aussicht auf den gegenüberliegenden Vulkan Concepción, der im Vergleich zum Maderas etwas höher liegt (1610m) und noch aktiv ist (letzter Ausbruch 2010) und daher auch häufiger für Wanderer gesperrt ist.

Nach insgesamt ca. fünf Stunden rauf und runter spüren wir die vollbrachte Leistung vor allem in unseren Knien. Der Abstieg hat bei allen seine Spuren hinterlassen und jetzt ist etwas Ruhe angesagt bevor nachts dann auf der Insel die Silvesterfeier steigt.

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