Zwischen Eigensinn und Anpassung

von eva_l_10  

Vor allem in Deutschland leben wir in einer Leistungsgesellschaft. Du bist was du arbeitest. Lernt man sich kennen, folgt die Frage nach dem Beruf gleich der nach dem Namen. In Costa Rica nimmt die berufliche Selbstverwirklichung nicht eine so tragende Rolle ein. Die Ernährung der Familie ist das Ziel, Studium und ehrgeiziges nach oben arbeiten kommen -soweit ich das bisher beobachten konnte- nicht in größerem Ausmaß vor.

Die Frage nach meinem Platz in der Gesellschaft ist bei mir noch sperrangelweit offen. Nach meinem Archäologiestudium habe ich das Freiwilligenjahr unter anderem auch als Chance gesehen, mir klar zu werden, in welche Richtung ich nach meiner Rückkehr gehen will.

Gerade weil so viel Lebenszeit der Ausübung des Berufs zukommt, habe ich immer noch den naiven Anspruch, eines Tages meine Berufung zu leben und der möglichst vollkommenen Darstellung des eigenen Wesens in allen Lebensbereichen gerecht zu werden.

Dieser Weg ist schwierig und erfordert Mut. Jeder, der nicht nach vorgegebenen Schablonen lebt, der keinen fertigen Lebensplan vorzuweisen hat, den er Punkt für Punkt abhakt, oder einen außergewöhnlichen Lebensstil hat , muss nach seinen eigenen Kräften und Bedürfnissen entscheiden, wie weit er sich der Konvention unterwerfen oder ihr trotzen will. Es ist nicht von einer anarchistischen Lebensweise die Rede, wir sind alle Teile der Gesellschaft, ohne ein gewisses Maß an Anpassung ist ein Zusammenleben nicht denkbar. Es besteht aber schnell die Gefahr, v.a. für jeden mehr als durchschnittlich individualisierten Menschen, dass die Seele und ihre Bedürfnisse abstumpfen, durch einen Job, den man roboterhaft und ohne Herz ausführt und als Folge dessen als Totgeburt durchs Leben läuft.

Hat man zudem die Möglichkeit andere Lebensorte und –formen zu sehen, weitet sich das Spektrum hinsichtlich dessen, was alles möglich ist, aus. Was als festverankert und unveränderlich betrachtet wurde, ist aus einer anderen Perspektive heraus veränderlich und fragwürdig.

Wie dem auch sei, wie viele Hürden und Trockenzeiten auch überwunden werden müssen, der Kampf den eigenen Seelenbedürfnissen in allumfassender Hinsicht gerecht zu werden, lohnt sich. Ein lauwarmes, sicheres Leben, eingezwängt in faule Kompromisse, macht früher oder später verbittert und krank.

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