Verwurzelt

von kathrin_10  

Tropische Regenwälder werden offiziell in zwei Zustände eingeteilt, Primär- oder Sekundärwald. Das impliziert Sicherheit und Überblick in einem unbekannten System. Deutscher Wald wird in mehrere Zustände eingeteilt, aber grundsätzlich darf nur Wald genannt werden was, eine bestimmte Flächengröße und Kronenschluss hat. In Costa Rica hingegen werden viele Pflanzengesellschaften als Wald eingestuft ohne dem Titel gerecht zu werden. Dazu zählen isolierte kleine Waldparzellen, Plantagen und weitere ökologisch verarmte mit Bäumen bestückte Flächen.

Durch das milde Klima in Costa grünt und blüht die Flora tagein tagaus vor sich hin. Ein großer Unterschied zu unseren Breitengraden ist, dass das Baumholz keine Jahresringe hat, die man zählen könnte, das erschwert den Nachweis des Baumalters ungemein.

Oft frage ich mich, wie alt wohl einer der Baumriesen sein könnte. Bisher habe ich noch keine zufriedenstellenden Antworten darauf erhalten. Meist werden 50 Jahre genannt, vermutlich liegt das daran das die meisten Menschen gerade so viele Jahre zurückblicken und aufgrund der Begrenztheit ihrer eigenen Erinnerung nicht mehr rekonstruieren können. Vermutlich jedoch sind die Bäume wesentlich älter, nur weiß das keiner mit Sicherheit. Verarbeitetes Holz hat derweil einen größeren Stellenwert als lebende Bäume. Jeder Einheimische lamentiert mit Stolz, dass ein Pfosten, der aus Manu-Baum gefertigt ist, mehr als 100 Jahre, auch in feuchter Erde halten kann. Ein Mensch der älter als 90 Jahre ist wird liebevoll Guyacan genannt: scheint also eine solide Baumart zu sein aus sicherlich sehr gutem Holz.

Menschen nutzen Wald, leben in und mit ihm und seinen Produkten. Er dient als Nahrungsquelle, Klimaregulator, Wasserfilter, Bodenschutz, Apotheke und Seelenheil. Er liefert und frische Luft, sauberes Wasser und Baumaterial. Ohne Holz hätten wir niemals Feuer machen, sesshaft werden oder die Ozeane befahren können. Viele Völker sind kulturell stark mit dem Wald verwachsen. Die Menschheit ist von ihm abhängig und einige erhoffen sich aus gutem Grund Heilmittel gegen Krankheiten die in der klassischen Medizin als unheilbar gelten. In den Regenwäldern steckt so vieles, was bis heute weder entdeckt noch erforscht ist. Urwälder mit Ihrer Artenvielfalt und Dichte sind besonders wertvoll. Jedoch ist es die Menschheit wiederherum, die diese Biotope gedankenlos zerstört. So werden bislang unbekannte Arten durch Habitatveränderungen eliminiert ohne das wir sie überhaupt jemals zu Gesicht bekommen, andere wiederherum werden durch Isolation auf Zeit ausgerottet: dies geschieht durch genetische Einengung und verminderte Anpassungsfähigkeit in einer Welt, die sich schneller wandelt als jemals zuvor. Die Auswirkungen der Veränderungen sind unberechenbar, deren Komplexität unübersichtlich, während die Lebensräume die hier bedroht werden äußerst sensibel sind. Ein befreundeter Tico, Naturfreund und begehrter Regenwaldspezialist hat die Hypothese aufgestellt: Primärwald, bzw. Urwald oder unberührte Natur gibt es auf der Erde nicht mehr. Denn es gibt keinen Flecken Wald mehr ohne anthropogene Einflüsse. Somit ist das was uns oft als Primärwald “bosque virgen“ angepriesen wird auch nur reifer Wald “bosque maduro“.

Die Gier des Menschen kennt keine Grenzen. Aus kapitalistischen Beweggründen wird in einer rasanten Geschwindigkeit vernichtet, was tausende Jahre bestand und nicht wieder reproduzierbar ist. Urwald kann man nicht pflanzen! Doch das ist den meisten leider nicht bewusst. Auf der einen Seite sind wir abhängig vom Wald, wir erhoffen uns so viel von Ihm und haben im Laufe unsere Entwicklung so viel von Ihm erhalten. Auf der anderen Seite sind wir der Tod und die Seuche für den Wald.

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