Der Alltag in meiner Gastfamilie – Erste Eindrücke aus Nicaragua

by 15 klara  

Der Tag in meiner Familie beginnt um 5:00. Meine Gastmutter betreibt einen kleinen Laden, der in das Haus integriert ist, wie es hier üblich ist. Die meisten Häuser hier in Nueva Guinea verkaufen irgendetwas: Tortillas, Knallerbsen, Cola, second-hand Schuhe, Süßigkeiten, Klopapier, Kekse, Seife und ganz wichtig natürlich Handyguthaben! Man kann an fast jeder Straßenecke sein Handy aufladen, was ziemlich praktisch ist.

Ab 5 Uhr kommen die ersten Kunden vorbei. Insgesamt ist um 5 Uhr schon ziemlich viel los in der Stadt: Leute auf dem Weg zur Arbeit, Jugendliche die im Park Fußball spielen, ältere Herren die Joggen gehen… Das ist hauptsächlich auf die Temperatur zurückzuführen. Um 5:00 ist das Klima hier noch am erträglichsten, mit dem Sonnenaufgang gegen 6 wird die Temperatur immer wärmer und es ist z.B. nicht mehr möglich Sport zu treiben.

Um halb 7 steht dann auch meine Gastschwester, mit der ich in einem Zimmer wohne, auf um sich für die Arbeit fertig zu machen, aber meistens wache ich schon vorher auf da aus dem Nachbarhaus laut Schlager dröhnen, ein Auto mit Lautsprechern aus denen Werbung ertönt vorbeifährt oder irgendeine der zahlreichen Kirchen hier ihre Botschaft durch riesige Lautsprecher verkündet. Hier ist es so, dass die Leute die schlafen / ihre Ruhe haben wollen auf die Leute Rücksicht nehmen müssen, die gerne laut Musik hören oder Lautsprecher einsetzen. Das Wort Lärmbelästigung scheint nicht zu existieren. Inzwischen drehe ich mich auch einfach um und schlafe weiter wenn der Nachbar um 5:30 wieder mal seine Schlager aufdreht. Es ist eben doch alles Gewöhnungssache.

So ab 7:00 gibt es dann Frühstück: Man kann hier in Nicaragua zu irgendeiner Mahlzeit bei irgendeiner Familie vorbeispazieren und ohne den Topfdeckel anzuheben mit 99% Sicherheit voraussagen, was es zu Essen gibt: Bohnen mit Reis. Egal wie reich, wie arm, ob auf dem Land oder in der Stadt: Das Essen ist immer gleich (natürlich gibt es auch mal Ausnahmen) Aus meiner Sicht ist das sehr einseitig. Es gibt zu jeder Mahlzeit Reis, Bohnen und Tortillas. Dazu manchmal noch Tomatensalat, gebratene Bananen oder Käse. Meine Gastmutter gibt sich aber sehr viel Mühe und kocht auch mal ab und zu Nudeln (was die Deutschen laut ihr, ausschließlich essen) oder es gibt ein bisschen Gemüse, das hier sehr teuer ist.

Hier isst man allerdings selten zusammen. Es gibt zwar einen Esstisch, aber bisher saß ich dort immer alleine. Essen ist, nachdem was ich auch von den anderen Freiwilligen hier gehört habe, keine Gemeinschaftssache. Gekocht wird schon eher gemeinsam. Dann steht man zusammen in der Küche und quatscht nebenher ein bisschen, aber gegessen wird für sich allein.

Das Leitungswasser in Nueva Guinea ist trinkbar, schmeckt aber ziemlich nach „Schwimmbad“ wegen dem Chlorgehalt. Das Leitungswasser ist allerdings je nach Lage des Hauses öfter mal nicht vorhanden, weswegen die meisten Familien Plastikfässer besitzen die aufgefüllt werden, wenn gerade Leitungswasser da ist.

Das Vorurteil, dass die Leute in Mittelamerika nur Siesta machen, konnte ich hingegen noch nicht bestätigen:

Meine ältere Gastschwester arbeitet von Montag bis Samstag in einer Apotheke. Jedes zweite Wochenende geht sie dann in die Uni. Gleichzeitig zu arbeiten und zu studieren ist hier ziemlich weit verbreitet: Viele arbeiten auch tagsüber und gehen abends zur Uni. Auch mein Gastvater hat nur einen Tag die Woche frei.

Das Leben als Hausfrau ist nicht viel einfacher: meine Gastmutter ist zwar fast immer den ganzen Tag daheim, da sie den Laden betreibt, allerdings schmeißt sie nebenher noch den ganzen Haushalt (ohne Waschmaschine!) und passt auf meine kleine Gastschwester auf. Ich bewundere meine Gastmutter wie alle diese Aufgaben unter einen Hut zu bringen, denn meine zweijährige Gastschwester gehört zu der Sorte Kinder, die man keinen Moment aus den Augen lassen darf, da ihr immer etwas Neues einfällt. Sei es die für die Uni gesammelten Zeitungsartikel meiner älteren Gastschwester zu zerreißen oder meine Zahnbürste mit Handcreme vollzuschmieren, ihr fällt immer was Neues ein.

Bald werde ich mich jedoch von meiner Gastfamilie verabschieden und in ein anderes Haus mit den anderen Freiwilligen von Pro REGENWALD ziehen. In den folgenden Blogbeiträgen werde ich dann berichten, was sich in meinem Alltag verändert hat.

BlogNo:02

2 comments

Comment from: Jeanne [Visitor]

Herrlich:) das Wort Lärmbelästigung gibt es hier wirklich nicht. Die Menschen müssen ein bemerkenswert selektives Gehör haben. bei uns Läuft im Büro auch die ganze Zeit Radio und irgendein Nachbar muss jeden Tag min. 2 Stunden sein nervtötendes Instrument draußen vor dem Haus spiele.
Ist Gemüse bei euch echt so teuer? Hier in Costa Rica ist es eigentlich zeimlich günstig, ich hätte eher gedacht, dass es bei euch noch günstiger ist. Weißt du woran dass liegt?
Das mit dem gemeinsamen Essen ist bei uns genauso wenig vorhanden wie bei dir, am Anfang hatte ich schon befürchtet, dass es was mit der Hirachie zu tun hat, aber mein Gastvater erklärte mir dann dass getrennt gegessen wird. weil jeder ist wann er Lust hat und es 2 Fernseher gibt;) Das ist ja eigentlich auch nicht verkehrt, wenn man auch so Zeit mit einander verbringt. Er war eher verwundert darüber das man in Deutschland soviel Wert daruf legt gemeinsam am Tisch zu essen.

15-11-30 @ 21:13 Reply to this comment
Comment from: Klara [Visitor]

Ja, das mit dem Lärm ist echt krass…aber auch die kleinen Kinder scheint das schon nicht zu stören. Sie schlafen friedlich in den Armen der Eltern während diese unter einem dröhnenden Lautsprecher sitzen :D

Ja Gemüse ist sehr teuer, da es hier nicht angebaut wird und importiert werden muss. Auch die Bauern auf dem Land bauen selbst kein Gemüse sondern ausschließlich Mais, Reis und Bohnen, neben den Produkten für den Export an. Hier in Guinea bauen sie viel Piña und Yucca in Plantagenwirtschaft und mit seeehr viel Chemieeinsatz an.

Naja es hat mir schon irgendwie gefehlt, das gemeinsame Essen. Obwohl ich in Deutschland nur einmal die Woche mit meiner Familie zusammen gegessen habe, hatte es doch immer was schönes…

15-12-10 @ 01:49 Reply to this comment


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