Eurozentrismus

von 15 marleen  

Die ersten Tage im CAP verbrachte ich damit, Texte über diesen besonderen Ort zu lesen. Schnell fiel mir auf, dass ich mindestens einen Überblick über die Lateinamerikanische Geschichte haben muss, um die Bedeutung des CAPs in der costaricanischen Vergangenheit verstehen zu können. Mir diesen Überblick anzueignen ist eine meiner “Current Missions“, da ich immer wieder merke, wie wenig ich eigentlich über diesen Kontinent weiß. Che Guevara, das “Verschwindenlassen“ während der argentinischen Militärdiktatur, die sadinistische Revolution in Nicaragua? Vielleicht mal gehört, aber ehrlich gesagt: Keine Ahnung!

Nicht, weil ich damals im Geschichtsunterricht unaufmerksam war, sondern weil der Stoff den wir durchnahmen und weiterhin durchgenommen wird, vom Eurozentristismus durchgetränkt ist! Wie kann es sein, dass wir im Geschichtsunterricht in Deutschland über Lateinamerika höchstens im Zusammenhang mit der Kolonialisierung gesprochen haben?

Als wären die geschichtlichen Ereignisse in Lateinamerika weniger wichtig, als wäre es weniger wichtig über die Diktaturen und Unterdrückungen auf diesem Kontinent Bescheid zu wissen, als hätten die Revolutionen weniger Tragweite, als hätte es weniger wichtige Vordenker und Helden gegeben, als hätte es weniger Tote gegeben… So erscheint es. Ganz unbewusst hat der Eurozentrismus unser Weltbild geprägt und ich wage zu behaupten, da ist die Schulbildung nicht ganz unschuldig dran.

Begriffe, die wir täglich hören, wie „Wohlstand“, „Lebensstandard“, „Armut“, „Fortschritt“, „Wirtschaft“ oder „Wachstum“, orientieren sich an dem westlichen Weltbild und der westlichen Lebensweise.

Wohlstand kann in einem anderen Kulturraum eine ganz andere Bedeutung haben, als die, die wir ihm beimessen.

Ein sich größtenteils selbstversorgendes Indigenendorf der Bri Bris sieht sich selbst nicht als arm. In ihren Augen sind es die Bewohner der Hauptstadt, die arm sind. Diese haben keinen Wald voller Früchte und Medizinalpflanzen, kein frisches Gemüse aus dem eigenen Garten, keine Zeit, keine saubere Luft… So erzählte es mir ein Ältester des Bri Bri Volkes, auf der Demonstration gegen REDD+ (bald schreibe ich mehr darüber).

Wenn wir von der sogenannten “Dritten Welt“ sprechen oder wenn Begriffe wie „Unterentwicklung“, „Entwicklungsprozesse“ und „Entwicklungshilfe“ fallen, suggerieren wir, dass sich diese Länder so entwickeln und so werden müssen wie Europa.




Dabei ist Europa so klein. Noch kleiner, als es erscheint, wenn wir einen Blick auf die Weltkarte werfen. Die übliche Darstellung der Weltkarte ist nämlich eine Mercator-Projektion, eine normalachsigen Zylinderprojektion, bei der sich die Meridiane und Breitenkreise rechtwinklig schneiden und als Geraden dargestellt werden. Dadurch erscheinen Regionen wie Europa, Nordamerika und Nordasien, die weiter vom Äquator entfernt sind, überproportional groß. Kurz gesagt: Die Weltkarte, wie wir sie kennen, ist verzerrt und zeigt eine falsche Größenrelation der Kontinente!

Ist dir schon einmal aufgefallen, dass…

  • Geographische Bezeichnungen wie „Naher“, „Mittlerer“ und „Ferner Osten“ von Mitteleuropa aus gesehen benutzt werden?
  • Europa fast immer zentral in der Mitte der Weltkarte dargestellt wird?
  • in der Berechnung der Zeitzonen London den Referenzpunkt bildet?

Wir haben uns so daran gewöhnt, dass es total normal erscheint.
Aber wie beeinflussen solche Bezeichnungen eigentlich unbewusst unsere Sicht auf die Welt, unseren Blick auf andere Länder und unsere eigene Identität?


Der Begriff Eurozentrismus beschreibt die Beurteilung nicht-europäischer Kulturen aus der Perspektive europäischer Werte und Normen. Europa bildet hier das unreflektierte Zentrum des Denkens und Handelns; Europas Entwicklungsgeschichte wird als Maßstab für jegliche Vergleiche mit anderen Ländern und Kulturen gesehen. Der Eurozentrismus wird teilweise als eine Variante des Ethnozentrismus angesehen.
http://www.ikud.de/glossar/eurozentrismus-definition.html

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