Ein Bus gen Süden

von 17 anna  

Der Bus setzte sich ruckelnd in Bewegung. "Es geht los!" rief meine Mitfreiwillige Jana mir zu und ein breites Grinsen zog sich über mein Gesicht "Ich fasse es nicht, es geht tatsächlich endlich los" antwortete ich ihr euphorisch während ich zum letzten mal für einige Zeit San Josés Straße aus dem Fenster betrachtete.

Denn jetzt erst hatten wir das Gefühl dass unser Freiwilligendienst in Costa Rica wirklich begann, obwohl wir bereits seit einiger Zeit im Land waren. Und die Zeit bis jetzt war spannend gewesen - voller neuer Eindrücke, interessant und überraschend - doch jetzt brannten wir darauf mit der Arbeit zu beginnen.

Die ersten zwei Wochen haben wir auf der "Estacion Arbofilia" verbracht, einer Station unserer Partnerorganisation, mitten im Regenwald gelegen und knappe 3 Stunden südwestlich von San José. Dort eigneten wir uns die verschiedensten praktischen Fertigkeiten an - vom richtigen Umgang mit der Machete bis zur Pflege einer Vivero (=Baumschule) und wir lernten intensiv Spanisch (selbstverständlich überlebenswichtig hier), aber vor allem erlebten wir was es hieß im Regenwald zu leben.

Danach verbrachten wir eine Woche in San José, eigentlich sollten es nur ein paar Tage werden, doch es gab einen Erdrutsch und so verzögerte sich alles ein wenig. So kam es dass Jana und ich zwar schon drei Wochen in Costa Rica sind, doch noch nicht in unseren Projekten waren.

Und jetzt sitzen wir im Bus, ungläubig das das Abenteuer und die große Verantwortung "Freiwilligendienst" endlich beginnt. Natürlich schwirrt mir der Kopf von Fragen, Ideen und Überlegungen, wenigstens habe ich jetzt fünf Stunden Busfahrt Zeit sie zu ordnen.

Jana und ich werden in zwei benachbarten Indigenen Gemeinden eingesetzt. Nach den Erzählungen sollen diese Orte eine Mischung aus faszinierender Kultur, Paradies und Problemknoten sein. Denn im Gegensatz zu vielen anderen "Comunidades" sei es den Ngöbe Indigenen im Süden Costa Ricas, trotz aller Wiedrigkeiten gelungen, viel von ihrer Kultur zu bewahren. Ihre Sprache sei immer noch lebendig und viele Kinder lernen sie oft noch vor dem Spanischen. Dies ist inzwischen leider eine Seltenheit, da Schulmaterialien früher oft nur in spanisch verfügbar waren. Auch sollen sie weiterhin traditionelles Kunsthandwerk ausüben und die typischen Trachten herstellen. Es ist schön, dass viel Wissen erhalten geblieben ist. Und die Landschaft in der sie leben - auf den Fotos sieht es atemberaubend aus.

Doch hinter der scheinden Schönheit sollen sich viele Schwierigkeiten verbergen. Die Hügel wiegen sich zum Beispiel nur in sanften Hellgrün weil der Regenwald gerodet wurde um Platz für Viehweiden zu schaffen. Oft ist dies in Zeiten geschehen wo die Gesetze die Enteignung des Landes der Indigenen noch nicht verhinderten und der Grund und Boden ausgenutzt wurde. Das erleichtert Erosionen, Erdrutsche, bringt das Ökosystem durcheinander und stellt dadurch auch heute noch eine Gefahr für die Bevölkerung da.

Auch auf sozialer und politischer Ebene soll es nicht leicht sein. Die Indigenen werden demnach von ihren Mitmenschen oft diskriminiert und auch die Gesetze, welche sie schützen sollen, sollen manchmal bevormundend sein. Die Politik hinkt was Toleranz angeht ebenfalls etwas, denn bis in die 90er Jahre galten Ngöbe-Indigene nicht einmal als Bürger Costa Ricas.

Andererseits gibt es Sozialleistungen (in Form von Geld) für sie als "Native Comunitys". Doch manche Kritiker meinen, es sei fraglich ob die gut gemeinte Hilfe nicht auch unerwünschte Folgen hat und ob diese Unterstützung - welche eindeutig Notwendig ist - nicht in anderer Form erfolgen sollte. Diese Gelder machen die Völker von der Regierung abhängig und weniger autonom. Leider scheint sich auch die Haltung eingestellt zu haben, dass man nichts für sich machen kann, außer auf dieses Geld (welches allerdings auch recht knapp bemessen sein soll) zu warten.

Nun sind Jana und ich sind auf dem Weg um in so eine spannende Region zu reisen und eine Zeit lang dort zu leben, die Menschen und die Kultur kennenzulernen. In Las Vegas und Santa Rosa (so heißen die beiden Paar Seelen Gemeinden) werden wir von einem Ortsansässigem mit vielen Ideen betreut und sollen ihn tatkräftig dabei unterstützen diese umzusetzen und auch selber kreativ werden.

Er möchte zum Beispiel die Landwirtschaft in der Gemeinde ankurbeln, damit die Bewohner sich von dem Ertrag ernähren können. Wir sollen dabei den Nachhaltikeits-Aspekt einbringen und uns und anderem auch über Permakultur informieren (Trauer um Godfather der Permakultur). Außerdem soll es zu unseren Aufgaben zählen die hygienische und medizinische Versorgung zu verbessern und Märkte für das erstaunliche Kunsthandwerk zu finden welches die Indigenen anscheinend herstellen.

Doch natürlich haben wir auch ein ökologisches Anliegen. Wir möchten, zusammen mit den Kindern der Dörfer eine Vivero aufbauen, Bäume pflanzen und ganz viele Spiele und Aktivitäten zu Umweltschutz und der atemberaubenden Natur die sie umgibt machen. Andererseits können uns die Kinder wohl auch viel über das Land und den Regenwald lehren, denn sie haben bestimmt kostbares erlebtes Wissen. In diesen Gruppen möchten wir auch pädagogische Aktivitäten anbieten wie zum Beispiel Turnen oder Theater.

Nun, soweit jedenfalls die Theorie. Natürlich schwirren uns unzählige Ideen und Anregungen durch den Kopf, doch solange wir nicht da waren, wissen wir nicht was davon umsetzbar ist. Außerdem ist uns auch bewusst wie schwierig die Situation ist und es sind große, verantwortungsvolle Aufgaben. Wir sind zwei junge Ausländerinnen die auf einmal auftauchen um sich in das Geschehen des Dorfes einzumischen. Das alles ist sehr delikat und wir werden Feingefühl brauchen um niemanden zu verprellen.

Erschwert wird die Situation ja auch durch unsere immer noch verbesserungswürdigen Spanisch Kenntnisse, doch alle Vorfreiwilligen haben uns wenigstens in dieser Hinsicht Mut gemacht - man müsse nur ein paar Wochen verwirrt lächeln und nicken bevor man recht schnell anfängt zu mehr Kommunikation fähig zu sein. Ob das hinhaut?

Im Moment fragt sich ein Teil meines Bewustseins wie erfolgreich wir sein werden, jedoch nur ein kleiner Teil. Zuversicht und Enthusiasmus überwiegen deutlich und um die Schwierigkeiten zu wissen ist nur Gesund. Außerdem werden wir zur Eingewöhnung und Vorbereitung einige Tage bei unserer Koordinatorin in einer anderen Gemeinde bei den Boruca-Indigenen leben um uns langsam heranzutasten.

Uns so schaue ich lächelnd aus dem Fenster, wo die bunten Häuser immer seltener werden und ein dichtes Grün und die weite der Hügel den Platz übernimmt, während der Bus uns mit jedem Augenblick etwas weiter in den Süden bringt.

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