Wenn Mutter Erde stirbt

von carla_11  

Aufgewachsen zwischen Reihenhäusern, geteerten Straßen und Stadtparks. Leben zwischen sandig-steinigen Lehmwegen, überquellenden Gärten und Regenwaldbergen. Es ist eine Nähe zur Natur, wie ich sie nie zuvor erfahren habe. Für meinen Gastvater Lorenzo, Bauer und Umweltaktivist, ist es das Paradies und für mich fast. Aber es bleiben Zweifel in meinem Hinterkopf, die sich nicht verdrängen lassen und die ich nicht verdrängen will. Denn es ist nicht alles schön hier und es läuft nicht alles richtig. Und so ist es mit ganz Costa Rica.

Auf den ersten Blick erscheint das Land als nichts anderes als das, ein grünes Paradies. Aber es reicht eben nicht, einmal hinzuschauen. Es ist so leicht, nicht nachzudenken und oftmals so verlockend, aber die Gedankenlosigkeit und das Unbewusstsein von uns Menschen sind es, die schon so manches Paradies zerstört hat.

Costa Rica ist ein Land unglaublichen Reichtums. Rund 8000 Pflanzenarten beherbergt dieser kleine mittelamerikanische Staat auf einer Fläche von der Größe Niedersachsens und allein 50 verschiedene Kolibriarten. Vulkane recken ihre Krater in den Himmel, zwei Ozeane spülen ihre salzigen Wellen an die Küste und uralte Regenwälder wachsen die Hügel und Berge empor. 25 Prozent des Territoriums sind als Nationalpark ausgerufen, dazu kommen noch viele Schutzgebiete mehr.

Das ist der erste Blick. Und der Blick, den viele Besucher sich bewahren, wenn sie wieder in den Bus steigen, ins Flugzeug und dem den Rücken zukehren, was für sie nun das ist, was man auch den Garten Eden nennt. Aber so weh es auch manchmal tut, es ist wichtig genauer hinzuschauen. Und zu sehen, dass auch das grüne Costa Rica andere Seiten hat. Hässliche.

Es ist nicht nur der Müll, der hinten im Garten unter, in der Nase stechenden, giftigen Qualmwolken verbrannt wird. Die schier endlosen Ananasplantagen, die dem Boden all seinen Wert und dem Wasser seine Reinheit nehmen. Die immensen Minenkrater, aus denen mit Giftgemischen Goldunze um Goldunze hervorgemahlen wird. Die großen Hotelkomplexe, die den Stränden ihre Schönheit und der Natur ihren Raum nehmen. Die monumentalen Staudämme, die Indigene aus ihrer Heimat vertreiben und die Flussläufe verändern. Die erodierenden Hänge der Rinderweiden, die einst von abertausenden von Bäumen bedeckt waren. Und der chinesische Reis, der in den Supermärkten in den Regalen liegt.

Ich weiß nicht immer, was gut ist und was böse, was daran liegen mag, dass das eben nicht mehr als die Erfindung eines Märchens ist. Aber ich weiß, dass nicht nur Costa Rica selbst der Schuldige ist, wenn die grüne Lunge des Landes stirbt. Die Industriestaaten, die Reichen, die Konsumgesellschaften sind es, die den größten Teil der Verantwortung tragen. Das sind dann wohl wir. Wer in den Supermarkt geht und ein Ananassonderangebot ersteht, sieht nicht, welche Pflanzen dort standen, wo die plantagengezüchtete Frucht emporgeschossen ist. Wer sich aus dem Kaufhaus eine Hose ‚made in Kambodscha‘ mit nach Hause nimmt, spürt nicht die unmenschlichen Verhältnisse, die viele der Arbeiter Tag um Tag erleiden. Und wer sich angenehm weiches, weißes Toilettenpapier aus Primärfasern ins Bad stellt, denkt nicht an die Bäume, die dafür gefallen sind. Wir bekommen es nicht direkt mit, was unser Verhalten in den ökonomisch armen und ökologisch reichen Entwicklungsländern bewirkt und das macht es leicht, sein Leben weiter zu leben wie zuvor. Im Luxus und im Egoismus. Wir fühlen nicht, was passiert, aber wissen wir es denn nicht längst? Muss es denn erst ein jeder mit eigenen Augen sehen? Reichen denn nicht all die Bilder, all die Berichte? Unsere Erde stirbt und mit ihr sterben auch wir. Kann denn eitle Ignoranz nicht endlich zu bewusstem Handeln werden und wir alle zu Weltrettern?

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