Mein Besuch bei den Ngöbe

von 18 sinan  

Diese Geschichte beginnt in Naranjo, Laurel, einem kleinen Städtchen etwa 30 Minuten mit dem Auto von Paso Canoas, die Stadt in der sich der größte Grenzübergang zwischen Costa Rica und Panama befindet. Es ist etwa 14.30 an einem Freitagnachmittag und die costa-ricanische Sonne brennt mit etwas über 30 Grad vom Himmel.

Wir sind im Supermarkt und Lisa weist mich darauf hin, dass wir jetzt zahlen müssen. Ihr wurde Bescheid geben, dass das Colectivo gleich nach Santa Rosa fahren würde. Also das Öl und den Kaffee für die Gastfamilie von Jurek und eine Packung Kekse für eben diesen bezahlt und rüber an die Bushaltestelle, wo Julia mit unserem Gepäck auf uns wartet.

Das Colectivo ist ein großer Pickup, dessen Ladefläsche von einem großen Gerüst/Käfig umgeben ist. Eine Frau steigt auf den Beifahrersitz ein, wir Drei hieven unser Gepäck auf die Ladefläche und nehmen dann auf der Bank, an dem Ende der Ladefläche, wo sich das "Fahrerhäuschen" befindet, platz. Die ersten ein zwei Kilometer fahren wir noch auf asphaltierter Straße, dann biegen wir links ab und befinden uns auf einer Straße aus Staub und Kies. Der erste Teil des Weges wird quasi ausschließlich von Palmölplantagen begleitet. Dies ändert sich als sich die Straße langsam zu heben beginnt und der Weg uns serpentinenartig auf und ab entlang verschiedener Berhänge führt. Immer wieder blitzen unglaubliche Ausblicke auf das Umland und somit auch riesige Palmölplantagen auf.

Für diese Pickupfahrt hätten viele Touristen sicherlich 20 Dollar bezahlt. Durch den costa-ricanischen Regenwald, immer wieder die wundervollen Ausblicke und dazu ein Gefühl von Abenteuer auf der Ladefläche des Pickups, während man über die staubige mehr schlecht als rechte Straße brettert. Für die Menschen hier ist es oft einfach nur der Weg nach Hause, dazu noch ein teurer für 2000 CRC (umgerechnet 3 Euro). In den folgenden Tagen werde ich noch oft feststellen, dass Wege, die für uns Europäer (Abenteuer-)Wanderung an wunderschönen Flüssen und im tiefsten Regenwald sind, hier einfach nur der Heimweg oder der Weg zum Einkaufen sind.

Nach etwas unter einer Stunde sind wir an unserem Ziel angekommen: Der Pulperia (=Tante Emma Laden) von Santa Rosa. Nachdem Lisa kurz nach ihren Gummistiefel gefragt/gesucht hatte, die sie dort gelassen hat, als sie vor etwa zwei Wochen das Territorium verlassen hat, machten wir uns auf den Weg. Nach wenigen Metern trennten sich unsere Wege, ich sollte der Straße weiter folgen, Jurek würde mir sicherlich gleich entgegen kommen, Julia und Lisa bogen auf einen Seiten "Weg" ab, wo man die erste bevorstehende Flussüberquerung schon von der Straße aus sehen konnte.

Nach kurzer Zeit traf ich dann auch wie angekündigt Jurek.
Da meine Reise insgesamt vier Wochen dauerte, war mein Rucksack ziemlich schwer, und der Weg bis zur Jureks Gastfamilie aufgrund der vielen Steigungen und der Temperatur ziemlich anstrengend. Dies führte dazu, dass ich mir meine Luft zum atmen und nicht zum sprechen sparte und quasi den gesamten Weg damit verbrachte Jureks Berichten über Weihnachten, Silvester und die letzten Monate zu lauschen und nur hin und wieder eine zwischen Frage einwarf. So kamen wir nach etwas weniger als einer Stunde verschwitzt und außer Atem an dem kleinen Häuschen Jureks Gastfamilie an.

Es grunzten mir zwei Schweine fröhlich entgegen und die zwei Hunde kündigten bellend unser Kommen an. Ich lernte Jureks Gastfamilie kennen: Papa, Mama, die nur 1 2 Jährchen älter ist als ich, die Zwillinge (Jungs, 9 Jahre) und die Tochter (1,5 Jahre). Die Jungs freuen sich immer über Besuch und zeigten mir erst mal alles was es auf dem Grundstück zu sehen gibt: den kleinen Garten, Bananenstauden, den Schweinestall samt 5 Ferkelchen und in der Ferne "an diesem Baum da hinten" das Bohnenfeld. Nach einem guten Abendessen (Reis, Bohnen und Fleisch, was es noch von Silvester gab) endete nach vielen Gesprächen mit Jurek mein erster Tag im Territorium.

Am nächsten Tag ergab sich mir eine großartige Möglichkeit, nachdem mir Jurek das Dorf und den botanischen Garten zeigte, nahmen wir an einer Versammlung der "Entwicklungsgruppe" des Dorfes teil. Erst mal Ernüchterung, es tauchte kaum jemand, der nicht direkt zur Gruppe gehörte auf, so dass abgesehen von Jurek und mir vielleicht 8 Leute da waren, und dabei ging es um ein Thema, dass die Zukunft des Dorfes erheblich verändern kann.

Ich möchte es hier nur kurz umreißen, da das Thema auf jeden Fall einen eigenen Blogeintrag verdient hat, den sicherlich meine Mitfreiwilligen vor Ort zu gegebener Zeit deutlich besser informiert, als ich das gerade bin, verfassen werden.

Dem Dorfe wurde eine Möglichkeit aufgezeigt schon in wenigen Monaten Internetsignal zu haben, indem ein Antenne aufgestellt wird und dies umsonst, als Gegenleistung müsse das Dorf einige Naturschutzauflagen erfüllen, z.B. wieder Aufforstung und den Stop der Verbrennung von Plastik.

Die folgenden zwei Tage waren durch viele Interessante Gespräche mit Jurek aber auch Dorfbewohnern geprägt, außerdem nutzen wir den freien Sonntag um eine Flusswanderung zu machen. Gefühlt erschien hinter jeder Biegung des Flusses wieder ein filmreifer Anblick, gekrönt von einem bewachsenen Abhang, an dem viele kleine Wasserläufe hinunter tropften, ja förmlich runter regneten.


Alter ist nur eine Zahl (68).

Am darauf folgenden Dienstag machten Jurek und ich uns dann auf den Weg zu Doña Luisa, bei der Lisa wohnt. Doña Luisa ist 68 Jahre alt und lebt eigentlich alleine auf ihrem Grundstück. Dort baut sie Reis, Mais, Bohnen, verschiedene Zitrusfrüchte, Yuca und und und an. Die ganze Arbeit dafür machte sie bevor ein Freiwilliger bei ihr lebte alleine. Außerdem besitzt sie ein paar Schweine und einige Hühner. Sie versorgt sich zum Großteil selbst und kauft in der Regel nur Dinge wie Zucker, Salz und Öl ein. Als ob dies nicht schon beeindruckend genug wäre, ist sie quasi eine Ikone der costa-ricanischen Indigenen Rechtsbewegung.

Der Weg zu ihr war, wie ich vorhin schon mal andeutete für deutsche Verhältnisse eine Regenwaldwanderung, hier jedoch ein ganz normaler Weg. Angekommen gab es erst mal Mittagessen. Reis, Bohnen, Yuca und Chorreadas (Fladen aus jungem Mais), köstlich! Wir vier Freiwilligen quatschten noch etwas spielten Karten mit ihrem Enkel und einem anderen Besucher und dann verabschiedeten sich Jurek und Julia.

Lisa und ich liefen darauf hin das Maisfeld ab und machten einiges an Lärm um Nasenbären vom köstlichen Gelb zu verscheuchen. Der Mais wächst an einem Berghang, und somit hatte man einen wunderbaren Ausblick auf den umher liegenden Regenwald, denn Doña Luisa wohnt etwa 40 Minuten zu Fuß vom nächsten Dorf entfernt. Danach bekam ich noch eine kleine Tour über die Finca und am Abend unterhielten wir uns noch ein wenig mit Doña Luisa. Dies wurde zum Abendritual, denn so viel wie die gute Frau in ihrem Leben erlebt hat, hat sie so einige spannende Geschichten zu erzählen, was nicht heiß, dass sie nicht auch zuhören kann, so zeigte sie Interesse an meinen türkischen Wurzeln und ich erzählte zum Beispiel, dass türkisches Essen dem Costa-ricanischen durch aus ähnlich sei.

Nachdem Lisa und ich am nächsten Morgen nochmal das Maisfeld abgelaufen waren, diesmal inklusive Feuer machen, da der Rauch die Tiere fern hält. Ging es für uns nach Las Vegas auf den Wochenmarkt, mit im Gepäck zehn Mandarinen und zehn Orangen, die wir verkaufen sollten. Leider war das Wetter eher regnerisch, dementsprechend war leider kaum jemand da, trotzdem bekamen wir unsere Waren verkauft, dies lag wohl auch daran, dass ich einige der Orangen für Jureks Gastfamilie kaufte.

Es fing sich dann schließlich gerade an zu füllen, als Lisa und ich uns auf den Heimweg machen mussten, da es ratsam ist sein Ziel im Hellen zu erreichen. Kurz bevor wir gingen wurden wir dann noch vom Präsidenten des "Gemeinde Rates" eines Nachbar Dorfes für Samstag eingeladen. Die nächsten zwei Tage waren dann ruhig, viel Zeit zum quatschen, aber auch die Arbeit blieb nicht liegen. Wir halfen bei der Bohnenernte, höhlten einige Jikaras (große Runde Früchte, die zum Verzehr ungeignet sind) aus, aus denen traditionelle Schüsseln gemacht werden sollten, kümmerten uns um den Kompost und legten ein neues Beet in Lisas Garten an.

So schnell war Samstag gekommen, um 9 Uhr machten wir uns auf den Weg nach Las Vegas, dort trafen wir dann Josse, mit dem es dann weiter zu dem Haus seiner Eltern, wo er wohnte, in der Nähe von Los Plancitos ging. Der Weg dorthin war einfach wunderschön, leider ging Josse sehr schnell, denn wie ich schon zwei Mal andeutete war dies für ihn einfach sein Heimweg. Das Erste was wir von seinem Haus sahen war eine Gruppe von Kühen, die tatsächlich auf ihre Namen gehört haben. Wirklich im Haus angekommen gab es Fresco und Bananos Morado, diese hat rote/rosa Schale, und Bananos de Manzana (Apfelbananen), klein und leicht säuerlich.

Danach führten wir ein interessantes Gespräch über bestehende Pläne des Dorfes, wie z.B. das Anlegen eines Botanischen Gartens, nach dem Vorbilde Las Vegas, und ähnliche Internetpläne, wie die oben erwähnten. Nach dem Gespräch ging es durch ein Stück Primärwald, in dem Bäume standen, die so dick waren, dass man mind. drei Menschen brauchte um sie zu umfassen und von dort weiter ins Dorf und dann zu seiner Tante.

Dort wurden wir wieder mal mit offenen Armen empfang. Ein netter Herr erklärte mir, was er noch so alles mit dem Grundstück vorhabe, und abgesehen von den reichlichen Zitrusfrüchten, die auf dem Grundstück wachsen, wurde uns ein leckeres Mittagessen serviert. Zum Abschied wurden uns noch 2 Chayoten (Gemüse) und jeweils ein Jikara-Löffel geschenkt. Als wir nach dem langen Nachhause weg, wieder bei Doña Luisa am Tisch saßen, blinkten zum ersten Mal seit ich da war in der Dunkelheit Glühwürmchen auf. Ein wahrlich märchenhafter Anblick, der zum Träumen einlud.

Nach einem ruhigen Sonntagmorgen nutzten wir den Tag um Gandul (Baumbohnen) und Mais zu ernten, außerdem begannen wir damit auf Wunsch von Doña Luisa eine Leiter zu bauen. So endete am nächsten Tag meine Zeit im indigenen Territorium, nachdem wir um kurz nach 6 wieder nach Santa Rosa liefen, mal wieder eine wunderschöne Flussstrecke, besonders im Licht der ersten Sonnenstrahlen, und mich dort das Colectivo wieder einsammelte, um mich die oben beschriebene Bergstraße wieder nach Naranjo zu bringen.

So nachdem ich jetzt erst mal im groben geschildert habe, was ich so erlebt habe, möchte ich nun noch einige Gedanken dazu notieren.

Im Großen und Ganzen hatte ich das Gefühl, dass die meisten Menschen ein gutes Leben führen, natürlich müssen sie auf so einigen "Luxus" an den wir uns alle gewöhnt haben verzichten, dennoch bietet das Leben, das sie führen, auch einige Vorteile. Ganz vorneweg natürlich das Leben in einer weitestgehend intakten Natur, abseits von Straßenlärm, Abgasen und dem ganzen Schmutz der in der Stadt so rum fliegt.


Banono Morado und Banano de Manzana.

Außerdem bleibt viel Zeit für die Familie, dies ist den nicht vorhandenen Möglichkeiten zu Arbeiten geschuldet. Die meisten Familie leben von 1000 bis 1500 Euro im Jahr! Dieses Einkommen wird durch ein staatliches Projekt erwirtschaftet, das es jedem Erwachsenen ermöglicht, drei Monate pro Jahr Gemeindearbeit zu vollrichten, sprich Wege von Unkräutern frei chappen.

Meiner Meinung nach ist eines der größten Probleme die Ernährung. Es gibt zu jeder Mahlzeit Reis, dazu in der Regel entweder Bohnen, vielleicht Nudeln oder etwas Fisch (Tunfisch oder Sardinen) aus der Dose. Zu besonderen Anlässen auch mal etwas Hühnchen oder Fleisch. Dazu wird in der Regel ein total überzuckerte schwacher Kaffee gereicht (,den ich ehrlich gesagt ziemlich lecker fand). Gemüse ist bei den meisten Familien annähernd komplett vom Speiseplan verschwunden und Obst ist für die meisten auch eher eine Ausnahme als die Regel (mit Ausnahme von Bananen).

Meiner Meinung ist dieses Problem aber relativ leicht zu lösen. Die meisten Familien besitzen etwas Land, für deutsche Verhältnisse vermutlich eine Menge Land. Dieses liegt jedoch in den meisten Fällen brach, Gärten könnten die Ernährung gut aufbessern und zu dem finanzielle Entlastung schaffen. Doña Luisa ist ein Paradebeispiel.


Hier kann man es sich gut gehen lassen.

Ich bin wirklich dankbar dafür Einblicke in diese so ganz andere Welt gehabt zu habe. Ein wirklich wunderschöner Ort an dem die Uhren ganz anders ticken als bei uns in Europa. Ich denke viel gelernt zu haben und weiß natürlich trotzdem, dass ich alles andere als ein Experte bin, weswegen ich darauf hinweisen möchte, meine oben aufgeführten Gedanken/Ideen mit Vorsicht zu genießen. Mein Freiwilligenjahr ist noch jung und so hoffe ich, dass sich mir nochmal die Möglichkeit bietet das Territorium der Ngöbe zu besuchen, um so mehr zu lernen und meine Eindrücke zu vertiefen.

BlogNo:08

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