Besuch Pina-Farm

von fabian_11  

Anlässlich des Internationalen Tages der Gewaltlosigkeit gegenüber Frauen sollte auch hier in Guácimo eine Demonstration das gewaltgeprägte familiäre Zusammenleben in seine Schranken weisen und dessen Überholtheit aufzeigen. Dieses Ereignis will ich in zwei Blogteilen aufarbeiten, wobei dieser einen Teil der Vorbereitungen abhandelt, der folgende beschäftigt sich dann mit der eigentlichen Ereignis.

Den vielleicht wichtigsten Garant für den Erfolg eines Festes, einer politischen Aktion oder auch eines einfachen Zusammentreffens liefert die Qualität, Quantität und Diversität der in dessen Rahmen dargebotenen Speisen. Grosszügigerweise überliess eine nahe Ananasplantage uns zu diesem Zweck und zu nicht ganz unwesentlichen Anteilen auch infolge einer Selbstreflexion über ihr Renommee einhundert Ananasfrüchte. Es trug sich zu, dass ich an jenem Tag recht verzweifelt nach einer Beschäftigung suchte, sodas ich schliesslich vom Tafelwischen abkommandiert wurde, um mit Dona Carmen, der regionalen Leitfigur in Sachen Engagement gegen häusliche Gewalt und nebenbei auch Gutachterin über die psychische Verfassung eines Bewerbers um den Besitz und Gebrauch von Schusswaffen, Frau des Dozenten über die Replikationszyklen von Nutztieren in der nahen Universität, zu besagter Plantage aufzubrechen. Auch für mich eine bisher einmalige Gelegenheit, der Privatbesitz darf gewöhnlich nicht einfach passiert werden, weshalb ich noch nie die Möglichkeit hatte, die eigentlichen Verarbeitungsbauten, geschweige den in Betrieb, zu besichtigen.

Hier befand ich mich nun also vor der wellblechüberdachten Manufaktur, eine Vielzahl von Transportsystemen liefen darauf kreuz und quer, der Zusammenhang untereinander wurde mir nicht ganz schlüssig, bis ich bemerkte, dass kein Zusammenhang bestand. Auf jeder Bahn wurden Ananas von den Arbeitern enthauptet, die Krone auf ein Laufband Richtung Häcksler entsorgt, der Fruchtkörper wurde in das Gebäude zum nächsten Schritt befördert, meinem Blick entzogen. Rund um die Laufbänder stapelten sich zur Decke Kästen gefüllt mit den Früchten, etwa 30 Arbeiter reihten sich vor meinen Augen aneinander und trennten im Sekundentakt den verhärteten Strunk vom Rest. Wir begaben uns zunächst in den Bürokomplex, um unsere Ankunft zu kommunizieren und auch um Instruktionen zu erhalten, zumindest ich kam mir etwas verloren vor. Dort wurden wir zuerst in einem Vorraum aufgehalten, bis der Leiter, sichtlich erregt in einer Diskussion mit einem Arbeiter, der unentwegt auf den Verband um seinen Oberarm deutete, wie durch die Glasfassade zu beobachten war, Zeit für uns fand. Besagter Arbeiter verliess stumm den Raum, später sollte die Unterhaltung noch fortgeführt warden, allerdings mit zwei Neuankömmlingen, die offensichtlich die Meinung des Geschäftsführers teilten und sich zu dritt als grosses Tribunal vor dem Arbeitnehmer aufbauten. Jedenfalls wurden wir begrüsst und sogleich nach draussen komplimentiert, dort sollte sich jemand unseres Anliegens annehmen. Nach einigen misslungenen Versuchen fanden wir auch jemanden, er manövrierte unser Fahrzeug an einen geeigneten Ort und wir begannen, die 100 Ananas von ihm entgegenzunehmen und in dem viel zu kleinen Kofferraum, unter den Sitzbänken und hübsch arrangiert auch im Kindersitz unterzubringen. Bisher hatte ich mit Skepsis den Ausführungen über die Gefahr der stachligen Blätter gelauscht, wenn Erblindungen durch stechende Blätter aufgeführt wurden, konnte ich durch meine Ungläubigkeit nur eher reserviertes Entsetzen äussern. Aber hier, in dem Tempo, in dem mit den Ananas hantiert wurde und zusätzlich gedrängt durch die sich auf seinem Laufband stapelnden Früchte wurde mich die Unhandlichkeit bleibend eingeschärft, in Form von einigen Schnittwunden an Fingern und Händen, die natürlich gleich mit der Fruchtsäure in Berührung kamen und mir zu einem Einblick in das Grundgefühl eines Arbeiters verhalfen, vor allem auch am nächsten Morgen, als ich mithalf, jene 100 Früchte zu zerteilen und einzutüten und mir unterdessen die Frucht für eine gewisse Zeit verlitt. Schliesslich sollten wir noch die Entgegennahme der Spende per Quittung belegen und bei dem zuständigen Herren, aus unerfindlichen Gründen inmitten der Aussenproduktionsstätte gelegen, wurde ich nochmal des beissend-chemischen Geruchs gewahr, der über der gesamten Anlage hing und bei mir Kopfschmerzen sowie leichten Schwindel verursachte, denen ich abends schliesslich mit einer Ibuprofen entgegenwirkte. Zunächst reichte mir der Arbeiter, der uns beim Beladen geholfen hatte, allerdings noch eine besonders wohlgeformte Frucht. Ich dankte und trug das Geschenk, mehr einer Bürde gleichkommend, nach Hause. Sie schmeckte übrigens köstlich.

Weiteres zum Thema:
Piñas – Costa Ricas stiller Tod
Ananas, was sonst?
Ananasfelder, Ignoranz und Respektlosigkeit der Natur gegenüber. Bin ich hier im falschen Film?
Bei Ananas geht es nur um eins: billig produzieren

BlogNo:

Noch kein Feedback


Formular wird geladen...