Studenten Proteste in San José

von 19 nora  


Studentenproteste in San José

Seit einigen Wochen finden nun auch in Costa Rica Proteste statt. Vor allem in San José werden Straßenblockaden errichtet, Gebäude besetzt und mit Parolen „beschmiert“. Meine Chefin hat sich die Zeit genommen mir die Hintergründe der gerade stattfindenden Proteste zu erklären.
Natürlich auf Spanisch, was das Ganze schwieriger machte und weshalb mir natürlich kleine Fehler beim Verstehen unterlaufen sein können. Dennoch möchte ich meine Eindrücke zu diesem Zeitpunkt festhalten.

Seit 2018 führt die costaricanische Regierung stufenweise den „Plan Fiscal“ (Sparmaßnahmen) ein. Gemeint ist damit, dass sie die Steuern erhöhen, Gehälter kürzen und Öffentliche Einrichtungen nicht mehr fördern werden. Dies wird nach und nach Menschen in vielen verschiedenen Bereichen betreffen (Bildungswesen, Gesundheitswesen, etc.). Ab 2020 wird der „Plan Fiscal“ auch die Universitäten betreffen und, wenn er so umgesetzt wird, wie geplant, die Leben der meisten Studenten komplett umkrempeln.

Eigentlich ist schon in Costa Ricas Konstitution festgelegt, das alle Universitäten den Fond „FEES“ (Fondo Especial para la Educacion Superior) erhalten und darüber souverän verfügen dürfen. Die absolute Autonomie der Universitäten ist ein wichtiger Punkt, denn genau hier greift der „Plan Fiscal“ ein. Seit Anfang Oktober finden vermehrt Proteste statt, da der „FEES“ nächstes Jahr um 35 Milliarden Colones gekürzt werden soll. Außerdem wird ihnen künftig vorgeschrieben wofür er eingesetzt werden darf. Dies ist zum einen ein massiver Eingriff in die Autonomie der Universitäten und hat zum andern auch zur Folge, dass der Fond nicht mehr für Stipendien genutzt werden darf. Mehr als 21.000 Studenten beziehen momentan Stipendien. 68% davon sind auf komplette Stipendien angewiesen. Viele Studenten können sich das Studium nicht mehr leisten, wenn der „Plan Fiscal“ so umgesetzt wird und die Stipendien wegfallen.

Der „FEES“ darf künftig nur noch für Infrastruktur, Gebäude, Gehälter und ähnliches genutzt werden. Mehr als 1120 soziale und 1436 wissenschaftliche Projekte der Universitäten, dürfen nicht mehr von dem „FEES“ finanziert werden. Besonders kleine Gemeinden sind davon betroffen, da sie häufig von den sozialen Projekten abhängig sind.

Vom 16. bis zum 18. Oktober haben die Studenten verschiedene Fakultätsgebäude in San José und in anderen größeren Städten eingenommen und besetzt. Ich hatte die Gelegenheit die Fakultäten für Bildung und Sozialwissenschaften besuchen zu können, worauf ich aber in einem anderen Blogeintrag noch genauer eingehen werde.


Studentenproteste in San José

Um den 23. bis zum 25. fanden vermehrt Straßenblockaden der wichtigen Verkehrsknotenpunkte statt. All dies wurde zwar von der Polizei begleitet, Gewalt wurde jedoch selten angewendet (Tränengas wurde eingesetzt und Molotowcocktails wurden konfisziert). Die Proteste verliefen jedoch überwiegend friedlich.

Am 22.Okt. fand ein Protestmarsch von der Campusuniversität San José bis zu der „Casa Presidencial“, dem Regierungsgebäude statt. Meine Chefin und ich waren, als engagierte Mitarbeiter des CAP (Centro de Amigos para la Paz), natürlich mit dabei und haben fleißig Bilder für die Berichterstattung gemacht. Es waren mehrere Tausend Menschen dort. Nicht nur Studenten, obwohl es vermehrt um den „FEES“ ging.

In der „Casa Presidencial“ fand eine Verhandlung über den Fond statt, an der die Vertreter der Mehrheit der Studenten (FAI) jedoch nicht teilnehmen durften, da die Regierung diese nicht anerkennt. Auch der Protestmarsch verlief vorwiegend friedlich. Erst gegen Ende ging das Gerücht herum, einige Studenten würden versuchen, in das unter Polizeischutz stehende Gebäude „Casa Presidencial“ zu gelangen, da dort die Verhandlungen gerade stattfanden. Zur Sicherheit entfernten wir uns von dem Geschehen. Später stellte sich heraus, dass es falscher Alarm war - es gab keine Auseinandersetzung.

Was ich bei meinen Recherchen für diesen Blogbeitrag mit am interessantesten fand, waren die komplett unterschiedlichen Darstellung der Geschehnisse und der Hintergründe. Laut Webseiten wie der „Tico Times“ oder „The Costa Rica Star“ gründen sich die Proteste eher auf Unzufriedenheit über Dinge wie Gender neutrale Toiletten, Gelder die für den Kauf von Drohnen eingesetzt werden sollen, etc. Die gefährdeten Stipendien und der bevorstehende Eingriff in die Autonomie der Universitäten wird hier vollkommen außer acht gelassen. Sie stellen eindeutig die Dialogbereitschaft der Regierung in den Vordergrund und lassen die protestierenden Studenten und Arbeiter unorganisiert und miss-informiert wirken. Auch der Einsatz von Tränengas Seitens der Polizei wird bisher verschwiegen. Stattdessen wird ausführlich über einen Krankenwagen berichtet, der wegen einer Straßenblockade ca. 20 Minuten an Zeit verliert.

Wenn ich mich nun aber mit Mitgliedern des CAP oder der Studentenbewegung unterhielt, bekam ich ein ganz anderes Bild vermittelt. Die Studenten sehen mit Recht ihre Bildung auf dem Spiel stehen, da sie ohne die Stipendien keine Chance haben, sich das Studium weiterhin leisten zu können.

Auch als unorganisiert würde ich die Studenten auf keinen Fall beschreiben. Dank meiner Chefin hatte ich die Möglichkeit mich auch mit den Studenten unterhalten zu können. Die Besetzungen laufen seit mehr als 2 Wochen und sind super durchorganisiert. Es gibt klar aufgeteilte Arbeitsgruppen für verschiedene Bereiche (Organisation, Eingangskontrolle, Küche, Protestbanner, etc.). Als meine Chefin fragte, ob das CAP den Protest durch Sachspenden oder ähnliches unterstützen könnte, kam als Antwort dass sie sich über das Angebot sehr freuen, aber zur Zeit nichts dringend bräuchten, da sie viel Unterstützung aus der Bevölkerung erhalten. Es gibt natürlich ein paar Dinge die immer gebraucht werden (Reis, Bohnen, Klopapier, etc.) Doch die Hausbesetzungen sind so gut organisiert, dass es an nichts mangelt.

Alle Ticos (Costa Ricaner) mit denen ich über dieses Thema gesprochen habe, sind der Meinung, dass man den offiziellen Medien in Costa Rica nicht trauen darf. Wer wirklich wissen will was los ist, muss mit den Leuten auf der Straße reden.

BlogNo:03

Noch kein Feedback


Formular wird geladen...