Die 'delegación internacional de amigos de la tierra' besucht Guácimo

von fabian_11  

Grace, die ‚Leiterin‘ unserer costaricanischen Partnerorganisation Coecoceiba war ganz aufgeregt, uns davon zu berichten: das jährliche Treffen der Friends of the Earth Lateinamerikas würde 2012 in Costa Rica abgehalten werden. Sie bat uns um Unterstützung, die nationale Monokulturproblematik am Beispiel der kürzlich geöffneten Ananasplantage bei La Florita zu verdeutlichen (siehe Ananas: Präzedenzfall bei La Florita). Wir sicherten ihr dies zu, und am 11. Mai traf der Besuch dann ein.

Die zwanzigköpfige Gruppe bestand aus Repräsentanten aus Brasilien, Argentinien, Chile, Honduras, El Savador, Guatemala, Mexiko und uns Gastgebern aus Costa Rica. Die Anlage im Nachbarkanton wurde besichtigt, ein Diskurs mit den Nachbarn abgehalten, die Probleme der Länder der Gäste kurz aufgezeigt: riesige Minenanlagen in Mexiko, Verdrängung indigener Siedlungen durch Minen und Staudammprojekte in Guatemala, Menschenrechtsverletzungen, pogromartige Landneuverteilungen in Honduras, Soja- und Holzplantagen in Südamerika, und über allem immer Carbonhandel, Greenwashingprojekte (‚Aufforstung’ der zuvor bewachsenen Minen nach deren Stillegung mit Holzplantagen, für die noch Subventionen erhalten werden und die Zertifikate an europäische Firmen verkaufen, die sich durch diesen Erwerb als carbonneutral darstellen können), um einige zu nennen.

Im Anschluss wurde die Anlage der Firma Ticoverde besichtigt, die stets unser, das heißt MEIN, Trinkwasser gefährdet und wir schilderten die Probleme damit. Kurz danach hatten wir tatsächlich ein Leck in unseren Wasserrohren und konnten zwei Tage kein Leitungswasser nutzen, weil es verdreckt und möglicherweise kontaminiert wurde ... inzwischen stabilisiert sich die Situation wieder.

Nach diesem praktischen Teil kehrte die Delegation nach San José zurück, und ich fuhr mit ihnen. Eine Gesprächsrunde mit Abgeordneten des Parlaments in eben jenem Gebäude war angedacht, was ich mir nicht entgehen lassen wollte.

In San José angekommen, befiel mich erst mal ein Schnupfen, wie immer, wenn ich in die kälteren Zonen des Landes vordringe. Uns beherbergte das ‚Haus der Väter/Pater’, eine erzchristliche Einrichtung. Ich rotzte etwas auf meinem Bett herum, während die anderen sich frisch machten. Mit einigen anderen fuhr ich bereits vor, um dem Gedränge an der Einlasskontrolle zuvor zu kommen. Glücklicherweise, denn ich wurde zunächst nicht reingelassen.

Es lag nicht etwa daran, dass ich Ausländer bin, nein. Ich trug eine kurze Hose und männliche Beinbehaarung galt in diesem Gebäude wohl als zu aufreizend, um zur Schau gestellt zu werden. Jedenfalls ließ mich die Dame im knappen Minirock nach Abklärung mit ihrer Kollegin nicht passieren. Ich musste also die Straße hinuntereilen, um mir noch eben eine Hose zu erwerben. Als ich zurückkam, ließen sie mich ungehindert passieren und ich zog mir die Hose auf der Toilette über. Interessant ist, dass sie mich, diesem Umstand geschuldet, auch nicht weiter kontrollierten. Wäre ich nun also sehr indigniert gewesen, hätte ich ohne weiteres meinen blutigen Rachefeldzug im Parlament starten können.

Stattdessen suchten ich den Saal der Expräsidenten auf, in dem die Zusammenkunft stattfinden sollte. Es war nicht sonderlich schwierig, ihn auszumachen: die Wände waren ringsum mit Gemälden der früheren Landesfürsten behangen, eingerahmt in golden bemalte Rahmen, die mit Ornamenten verziert wurden. Interessanterweise waren die kürzlich in diesen Stand erhobenen Präsidenten noch weißer dargestellt als die Kolonialherren, die anfangs regierten. Weiß war inzwischen eindeutig in Mode gekommen.

Noch etwas anderes fiel auf, nämlich, dass der Raum für die Ansammlung seiner Herren in absehbarer Zeit zu klein werden würde. Während ich also noch um die Zukunft des glücklichen Landes der Welt besorgt war, trafen an einem breiten und erhöht stehenden Tisch vor mir die Regierungsanwärter zusammen, die noch einen Platz an der Wand zu ergattern hofften. Leider hatten nur zwei Abgeordnete Zeit gefunden, über Umweltschutz zu reden, und da die beiden bereits von dessen Notwendigkeit überzeugt waren, kam keine echte Diskussion zu Stande. Fünf Menschen betonten vor einem Häufchen Zuschauer ihre Überzeugung und ihr Bewusstsein, die Welt retten zu müssen, und verwiesen dabei hauptsächlich auf die Ananasplantagen und – wieder einmal – den Carbonhandel.

Fünf Studenten, die sich eingefunden hatten, stellten Fragen zur Zukunft, die wenig zufriedenstellend beantwortet wurden. Danach ging der Großteil der Anwesenden gemeinsam Pizza essen.

Ich hatte am nächsten Tag noch einmal die Möglichkeit, mit dem Herren aus Chile profunder über die Umweltproblematiken seines Landes zu sprechen. Er führte vor allem die extreme Zentrierung der Bevölkerung in der Hauptstadt auf, die eine wahre Smogglocke über sich bildete, befördert durch die schlechten Raffinerien des Landes und dem minderwertigen Petroleum, dass zu Konzentrationen übermäßiger Mengen an Feststoffpartikeln in den Autoabgasen führt.

Das Wassermanagement sei ebenfalls katastrophal. Zur Hälfte sei Chile Wüste, die andere sei zwar sehr wasserreich, doch würde diesen Wasser zu sehr den Industriezweigen zugelenkt, ob nun durch Minen, Staudämmen oder der Agrarwirtschaft verbraucht. Chile verfüge vor allem über Holzplantagen, Weintrauben und anderen Beeren, Kiwis und sei weltweit zweitgrößter Avocado-Exporteur. Da der Sommer klimatisch dem europäischen ähnle, ließen sich besonders die Beeren gut kultivieren und sich damit die nördliche Hemisphäre in den Wintermonaten beliefern. Am meisten Wasser komme aber den Fischfarmen zugute, Chile hätte in den letzten Jahren selbst Norwegen an Exportmenge überholt und sei nun Hauptexporteur von beispielsweise Lachs.

Ich unterhielt mich auch noch mit Anderen, eines wurde im Verlauf der Gespräche überdeutlich: die Länder eint dieselbe Problematik, zwar in verschiedener Ausprägung, doch generell ist ihr Übel die Rolle als Zulieferer des europäischen und nordamerikanischen Marktes und die Korruption, welche die Invasion durch und das Voranschreiten der Wirtschaftsmächte begünstigt.

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2 Kommentare

Kommentar von: Mama [Besucher]

Ich glaube, wenn du wieder in Europa bist, fängt die eigentliche Arbeit, sprich Problembewusstmachung, erst an. Da hast du viel zu erzählen, jedem, was wir durch unser Konsumverhalten alles so anrichten….
Gute Zeit noch!

Kommentar von: Flo [Besucher]

Schön mal wieder einen Artikel von dir zu lesen Fabi.
Das mit der kurzen Hose prob spricht für das chaos in CR das ich selber erleben durfte.
@ Mama: Selbsteinsicht wäre da wünschenswerter.


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