Mehr Bücherwürmer als Bücher?

von manali_12  

In Costa Rica herrscht meinem Eindruck nach kein besonders lese-freundliches Klima. In den Schulen findet vielerorts kein regelmäßiger Unterricht statt, so dass zumindest die Kinder, die ich kenne, nach dem ersten Schuljahr kaum ihren Namen schreiben können und in der dritten oder vierten Klasse noch starke Schwierigkeiten mit der Rechtschreibung und dem flüssigen Lesen haben. Ganz davon abgesehen wird im Unterricht eher das auswendig lernen gefördert, als das eigenständige Lesen.

Viele Erwachsene lesen kaum Bücher außer der Bibel, wobei es sich auch hier meinem Eindruck nach eher um ein Auswendiglernen als um ein Reflektieren handelt. Es gibt natürlich auch Gegenbeispiele - mein Mitbewohner hat keine Bibel, dafür einige Sammelbände mit Gedichten und Kurzgeschichten, landwirtschaftliche Nachschlagewerke, …

Eine weitere Ausnahme ist die Bibliothek in Puerto Jiménez, die ich gemeinsam mit zwei Mitfreiwilligen zu Anfang des Freiwilligenjahres auf Vordermensch brachte. Hier wird mit einer bunten Sammlung aus Romanen, Sach- und Fach-, sowie Kinderbüchern nicht nur versucht, Menschen das Lesen näher zu bringen, der Raum wird vor allem auch von den Kindern genutzt, die vor Schulbeginn oder nach Schulschluss die vorhandenen Brett- und Kartenspiele spielen, Englischklassen besuchen oder an Bastelworkshops teilnehmen.

Allerdings haben auch da, wo das menschliche Klima hier bücher-freundlich ist und Interesse besteht, zu lesen, die Bücher kein leichtes Leben: Die Wetterbedingungen und die Umwelt machen ihnen zu schaffen. Kistenweise sortierten wir damals in Puerto Jiménez von Termiten oder Bücherwürmern zerfressene Bücher aus, deren Seiten teilweise so durchlöchert waren, dass der Textzusammenhang nicht mehr verständlich war. Die verblichenen Farben der Einbände und die vergilbten Seiten ließen vermuten, dass das Papier schon viele Jahrzehnte alt sei, aber der Verfall schreitet hierzulande einfach wesentlich schneller voran als dort, wo ich lernte, Verfall zu beobachten: die meisten der Bücher waren zwar einige Jahre, aber nicht Jahrzehnte alt.

In den letzten Tagen und Wochen habe ich begonnen auf verschiedenen Wegen Bücherspenden für ein neues Mini-Bibliotheksprojekt in meinem Einsatzort Las Vegas zu sammeln. Hauptsächlich ist das Ziel, Lernmaterialien zu sammeln, vorrangig soll die Bibliothek in Ort der Bildung und des Studierens sein. Ich kontaktierte zunächst die Bibliotheksbetreiber in Puerto Jiménez, die mir wertvolle Informationen gaben und hilfreiche Kontakte vermittelten, mithilfe derer ich eine Vielzahl an Büchern zu sammeln und das Projekt nachhaltig in der Region zu verankern hoffe - Hotels, die mit dem Zertifikat für touristische Nachhaltigkeit (Certificado de Sostenibilidad Turística) klassifiziert sind, können ihre Bewertung verbessern, wenn sie gemeinnützige Projekte in der Region unterstützen, und ich hoffe, dass einige von ihnen uns zu diesem Zweck mit Bücherspenden weiterhelfen möchten. Der erste Schritt auf einem anderen Weg, das Sammeln von gebrauchten Büchern mithilfe von Spendenkisten, die ich in verschiedenen Läden und Institutionen des Dorfes unterbrachte, ist bereits getan. Es verwunderte mich, dass ich dabei aus etwa 100 bisher gesammelten Büchern - vor allem Schulbücher fast aller Fächer und Jahrgangsstufen - nur eine Hand voll aussortieren musste, weil sie in zu schlechtem Zustand waren. Eine weitere Hand voll konnte ich reparieren.

Besondere Freude bereiteten mir zwei Raritäten, die in den von mir gebastelten Bücherkisten auftauchten - die Kopie eines Bilderlexikons für costaricanische Gehörlosensprache und ein Band des „Libro Almanaque Escuela para todos“ von 1983 zum Beispiel. Die „Escuela para todos“ ist ein seit 1966 jährlich veröffentlichtes Buch, das sich mit seinem Lernangebot an die „bildungsferneren“ Bevölkerungsschichten richtet, und das in den letzten Jahren jährlich 400000-500000 Exemplare in Zentralamerika publizierte. Es wird also doch gelesen.

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1 Kommentar

Kommentar von: Magda [Besucher]

Sehr interessant :) Aber unternehmt ihr auch was, damit die neuen Bücher nicht so enden, wie die alten? Wäre doch schade, wenn die ganzen Spenden in ein paar Jahren auch vergammelt sind…


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