Vermüllte Flüsse im Naturparadies

von 15 marleen  

Das, was uns präsentiert wird, ist immer nur die halbe Wahrheit. Oft ist es erschreckend, wenn wir merken, dass nichts so ist, wie es erscheint. Wie eine kalte Dusche, die uns den morgendlichen Schleier von den Augen nimmt und uns beide Seiten der Medaille sehen lässt…

Costa Rica: das grüne Naturschutzparadies! Auch ich hatte einmal dieses Bild. Immerhin glänzt es unter den Top 20 der Länder mit der weltweit größten Biodiversität und es hat knappe 30% der Landfläche unter Schutz gestellt. Die Bilder in den Reisekatalogen und die touristischen Führungen durch Nationalparks bekräftigen diesen Eindruck. Ich bin mir sicher, dass viele Menschen, die hier her kommen, den Komfort der Ecolodges und unzähligen schönen Hotels genießen, mal eine Tour ins Grüne nach Monteverde und Corcovado unternehmen, dann mit schönen Bildern im Gepäck nach Hause fliegen und erfreut sind, dass es noch so viel schöne Natur auf der Erde gibt.

Es ist wichtig, dass das Land dieses Bild nach außen hin verkauft, denn der Tourismus ist inzwischen der wichtigste Devisenbringer des Landes (2014: 2,636 Millionen US-Dollar). Noch vor der Landwirtschaft (Ananas, Bananen, Kaffee)! Es ist natürlich die Natur, die Touristen nach Costa Rica zieht. In den letzten Jahren kam der „Ökotourismus“ hier sehr in die Mode. 2014 waren es über 2,5 Millionen Touristen (+4,1% gegenüber 2013). 2015 reisten rund 70.000 Touristen aus Deutschland ein. Im Schnitt bleiben sie für eher kürzere Zeit im Land (1).

Leider ist das grüne Costa Rica aber nur die halbe Wahrheit: die Lautere, die Schönere und die Offensichtlichere.

Wenn man sich nur auf den ausgetretenen Touristenwegen innerhalb der Vorzeigegegenden bewegt, kann man diese Dinge natürlich auch nicht sehen, die da nicht in das Bild hinein passen wollen:

Unzählige kleine Feuer in denen Plastik verbrennt.

Aggressive Putzmittel, wie Chlor, die täglich benutzt werden und in die Natur gelangen.

Abwasser, das in Flüsse geleitet wird, da es gar keine Alternative gibt.

Riesiger Pestizideinsatz auf den Plantagen.

Plastik überall und immer.

Wilderei und Jäger, die es auf exotische Tiere abgesehen haben.

Um ein paar Beispiele zu nennen…

Immer wieder stoße ich darauf, wie wenig Bewusstsein bezüglich der Umweltthemaik in großen Teilen der Bevölkerung vorhanden ist. Aber verurteilen kann ich das natürlich nicht, als Kind eines Wohlstandslandes, das mit seinen CO2 Emissionen es auf jeden Fall in die weltweite Top 10 schafft.

Nur nachvollziehen kann ich es nicht. An so vielen Grundschulen wurde mit bunter Farbe an die Wände gemalt: „Cuidamos el ambiente“ (dt.: Wir schützen die Umwelt). Aber gleichzeitig liegen überall kleine „Paquetitos“ (Chipstüten) herum, die von den Kindern so geliebt werden. In verlassenen Grundstücken türmt sich der Müll, obwohl es einen Müllabfuhrservice gibt. In Veranstaltungen zum Thema Umwelt, wird von Plastiktellern gegessen. In Supermärkten wird jedes Obst einzeln in Plastiktüten verpackt und an der Kasse muss man richtig schnell sein, um keine Tüte zu bekommen. Viele vertauschen auch die Flüsse mit Müllhalden. Auf Grund der Bequemlichkeit? Unwissenheit? Ich kann es nicht verstehen.

Seit ein paar Jahren werden jedoch vermehrt Flussreinigungsaktionen organisiert. Da musste ich natürlich mit meinen costa ricanischen Freundin vorbei schauen! Die haben sehr wohl ein großes Bewusstsein für die Umweltproblematik. Ich will also auf keinen Fall die Menschen verallgemeinern!









Obwohl an dem Fluss Maria Aguilar in der Hauptstadtregion in den letzten 4 Jahren jeweils eine Reinigungsaktion stattfand, erwartete uns die reinste Kloake! Wir wurden mit Müllsäcken, Latex- und Bauhandschuhen ausgerüstet. Die Angestellten der Gemeinde begleiteten uns und auch die Polizei, um Zusammenstöße zwischen uns und den Obdachlosen am Fluss zu vermeiden.

Unglaublich, was wir alles am Ufer des Flusses fanden: Flaschen, Tüten, Dosen und auch Sessel, Schuhe, Klamotten, Elektrogeräte, Schulbücher, Spielzeug…

Wir füllten so einige Säcke und man konnte nach der Aktion einen Unterschied feststellen. Es waren mehr Leute dort als ich dachte, vielleicht so 60. Auch das Fernsehen war vor Ort und interviewte die Freiwilligen – mich mit eingeschlossen?? – Sicher hat die Aktion einige Menschen erreicht und zum Nachdenken angeregt.

Aber wird in einem Jahr wieder die gleiche Menge Müll dort sein, wie nach den letzten Aktionen auch?

Zwar ist der Müll grob beseitigt worden, aber das schwarze Wasser bleibt kontaminiert, leblos und fließt weiterhin in den Rio Tarcoles und dann ins Meer. (Die Überquerung des Flusses habe ich in The Journey to the Green Kingdom beschrieben.) Flussreinigungsaktion beim Rio Maria Aguilar, San José, April 2016

Alle haben versucht nicht in Kontakt mit dem Wasser zu kommen, schließlich wird auch Abwasser als Toiletten in den Fluss geleitet, was viele Jahre noch zur Normalität hier gehörte. Anscheinend war es jedoch gefährlicher als ich dachte, ohne Schutzanzug den Fluss zu reinigen. Mich hat es danach nämlich erstmal ziemlich umgehauen und ich kam für 3 Tage kaum aus meinem Bett, noch vom Klo runter. Diagnose: eine gemeine Bakterie, die man sich durch mit Fäkalien verunreinigten Dingen leicht einfangen kann. Das nächste Mal werde ich noch viel vorsichtiger sein.

Aber wie viele nächste Male braucht es, damit der Fluss wirklich sauber wird? Wie viele Umweltbildungsmaßnahmen braucht es, damit Menschen den Zusammenhang zwischen der Gesundheit der Natur und ihrer eigenen Gesundheit verstehen? Wie kann Bewusstsein geschaffen werden?

Natürlich will ich niemanden die Costa Rica Urlaubspläne vermiesen. Es ist wirklich ein schönes Land mit atemberaubender Natur! Wichtig ist jedoch zu wissen, dass es eben nur eine Wahrheit ist und vieles eben nicht so ist, wie es scheint…

BlogNo:29

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