Ein Wasserspaßbad

von fabian_11  

Der Begriff ‚Regenwald’ setzt sich bekanntermaßen zu annähernd gleichen Teilen aus den Wörtchen ‚Regen’ und ‚Wald’ zusammen. Während letzterer hier in der Nähe eher spärlich ist, sprich nur vereinzelt zwischen den Ananasplantagen in höheren Bergregionen anzutreffen, ergießt sich der Regen mit einer beeindruckenden Regelmäßigkeit über die Karibik, dass man durchaus seinen Tagesablauf danach richten kann beziehungsweise muss, wenn man wünscht, nicht nass zu werden, wie es die meisten Ticos bevorzugen.

Ab Mittag kann man mit Regen rechnen, meist hängen die Wolken bereits den ganzen Tag über der Gegend und schirmen dankenswerterweise die Sonne ab und entladen sich um die Mittagszeit in heftigen Schauern. Mit heftig meine ich einen Regenguss, der dem Ausdruck ‚Niederschlag’ sehr viel direkter gerecht wird als in gemäßigten Zonen. Die Regentropfen sind durchaus groß genug, um zu schmerzen, wenn sie auf den (zugegebenermaßen leicht sonnenverbrannten) Nacken prasseln, nur um eine Vorstellung zu vermitteln.

Für Ausländer definitiv ein sehens- und erlebenswertes Schauspiel, kein Wunder also, dass ich nicht unbedingt betrübt war, als ich von einem derartigen Regenfall auf einer meiner Informationsbeschaffungsgänge in einem nahegelegenen Städtchen überrascht wurde. Während alle Einheimischen sich also desinteressiert in ihren Häusern verkrochen oder in einem Hauseingang unterstellten, beobachtete ich begeistert, wie sich die für europäische Maßstäbe eher öde Gemeinde in einen Quell anhaltender Freude, zumindest für mich, verwandelte.

Von tausend Häuserdächern ergossen sich Sturzbäche und zersprangen auf der Straße, aus den Regenrinnen entsprangen Sturzfluten und mäßige Senkungen in der Straße wandelten sich binnen Sekunden zu Sammelbecken für die gewaltigen Wassermassen. Wo man auch hinging, man wurde nass von allen Seiten. Von oben natürlich, von der Seite dank der mehr oder weniger waagrecht hervorstehenden Regenrinnen, von unten, als sich immer mehr Wasser sammelte und den gesamten Grund überflutete, von vorbeibrausenden Autos, die vorbeibrausende Wasserwege kreuzten und aufwühlten. Nach vielleicht einer halben Minute war ich komplett nass, meine Schuhe gaben lustige Geräusche von sich, meine Kleidung hatte ihr Gewicht schätzungsweise verdoppelt und klebte wie ein Film an mir.

Unterdessen strebte alles Wasser unweigerlich dem örtlichen Fluss zu und riss das Ufer mit sich in unbestimmte Richtung.

Ich weiß nicht, wieweit die Sedimente im vom sanften Fluss zum reißenden Strom angeschwollenen mitgespült werden, ich weiß aber, dass diese Erosion besonders in Verbindung mit den omnipräsenten Ananas- und weiteren Plantagen hier in der Gegend ein kaum kalkulierbares Risiko darstellt. Es mag noch amüsant sein, wenn beim beschwerlichen Abstieg über die extrem rutschigen, weil völlig ausgespülten Wege der Gedanke aufkommt: ‚Hey, die Straße läuft davon’, weil neben einem der Boden als schmutzigbrauner Strom vorbeizieht. Wenn man sich jedoch dann umblickt und erkennt, dass man schon wieder zwischen Plantagen eingekeilt ist, die meist die höchsten Flächen beanspruchen, um zuerst das Wasser für sich beanspruchen zu dürfen, wird einem schon eher mulmig.

Wenn die Regenfälle nebenan ebensoviel erodieren, und das tun sie, da Ananasplantagen durch die Austrocknung der umliegenden Böden die Erosion noch weiter begünstigen, weiß man, woher die Pestizide in all den Flüssen stammen, die das Land teilen und an denen die Gemeinden sich angesiedelt hatten.

Allein im Rio Jimenez wurde in einer Untersuchung der ‚Universidad de Costa Rica’ folgende gesundheitsschädigende Chemikalien festgestellt: Ametrin, Bromacil, Carbaril, Chlorothanonil, Diazinon, Diuron, Etoprofos, Hexazinon, Triadimefon. Einige davon sind in der EU verboten, weil sie das Grundwasser stark verseuchen, krebserregend sind oder sein können, Impotenz fördern oder gesundheitliche Schäden evozieren, von brandwundenartigen Ausschlägen auf der Haut bis Bewusstseinsverlust bei Kontakt oder Atemprobleme und Sehschwierigkeiten. Alle von ihnen werden hier zur Effizienzsteigerung der Plantagen eingesetzt, um uns in Deutschland mit ‚gesunden Tropenfrüchten’ zu versorgen, während die Leute hier ihre monatlichen Trinkwasserlieferungen erwarten, weil ihre Flüsse vergiftet sind.

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