Lippia Alba

von carla_11  

In Juanilama könne ich viel über Medizinpflanzen lernen, sagte man mir, bevor ich mich vor nunmehr schon zwei Monaten auf den Weg machte. Und unweigerlich begann mein Kopf sich ein Bild zu machen. Innerlich suchte ich nach der gebeugten Gestalt eines alten Mannes, ein langer weißgrauer und filziger Bart vor dem faltigen Gesicht, mit kleinen weisen Augen. Der Schamane, der Medizinmann, wie sollte er sonst aussehen. Die ersten Tage drängte es mich nachzufragen, nach diesem Herren, von dem ich mir vorgenommen hatte, so viel zu lernen, wie nur irgend möglich. Ich träumte von mystischen Erzählungen und geheimnisvollen Unterrichtsstunden.

Von Uñegato und Ortiga hörte ich Lorenzo und eine alte Freundin der Familie, Sarita, währenddessen reden. Von Rückenschmerzen und Verdauungsproblemen. Freundin und compañera Janeth stapft mit der Taschenlampe hinaus, kehrt mit einer Handvoll Blättern aus der Nacht und Dunkelheit ins Haus zurück und setzt Teewasser auf. Und allmählich beginnt mir zu dämmern, dass ich mein Bild vielleicht besser verwerfen sollte.

Magendarmschmerzen? Ein paar Blätter des Guanábana Baumes, der gefällt werden soll, weil er Gefahr läuft, eines Tages das Haus unter sich zu begraben. Mit heilender Wirkung. Vom Terassenrand drei Blätter Seolfatillo, die der Abwehr dienen. Hitao reinigt, Brennnessel kuriert Entzündungen. Alles zusammen in Wasser erwärmen, bis es fast kocht. Nicht ganz, sonst verlieren die Blätter ihre kurativen Wirkstoffe. Manche Pflanzenteile nimmt man roh zu sich, manche als Tropfen, andere werden als Bandage aufgelegt. Es gibt Medizinpflanzen, die giftig sind und bei denen Vorsicht geboten ist. Und es gibt Namen über Namen, von denen es nicht mehr als ein Bruchteil ist, der es weiß sich in meinem Kopf festzuhalten. In der kleinen Abstellkammer im ersten Stock stapeln sich die Bücher, durcheinandergeworfen in einem alten Regal. Und irgendwo zwischen Bibeln, zerlesenen Romanen und Lexika stapeln sich auch Medizinpflanzenbücher. Rezepte, Pflanzenbeschreibungen, Skizzen, verblichene Fotos.

Im Supermarkt steht auf den Teeverpackungen, welcher Beschwerden ihre Kräuter und Blüten und Gewürze entgegenwirken. An der Haltestelle verkauft eine Dame Naturheilmittel, im Bus empfiehlt mir eine Frau Aloe Vera für meine pferderückenaufgescheuerte Haut. Antibiotika und Chemietabletten haben schon längst auch in Costa Rica Einzug gehalten und ihre Finger bis in die letzten Ecken des Landes ausgestreckt. Doch zwischen den braunen Blättern auf dem Regenwaldboden wächst noch immer Alcatán, deren Blätter schon seit jeher ein indianisches Betäubungsmittel sind. Und vielleicht einmal dafür bestimmt einen schmerzenden Rücken zu heilen, windet sich das Holz der Escalera de Mono spiralförmig zwischen den grünen Ästen empor.

Juanilama, oder auch Lippia Alba, ist der Name einer Medizinalpflanze, die für Magenschmerzen, bei Rheuma und als Insektizid verwendet wird.






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