Costaricanische Abendgestaltung

von fabian_11  

Abends trifft sich die Familie und sieht zusammen, in wechselnden Konstellationen, fern. Traditionsgemäß bestimmt der, der am lautesten schreien kann und davon auch gebrauch machen würde, sprich der jüngste, das Programm. Sobald also David, mein Gastneffe, eintraf, wurde die einstündige Nachrichtensendung, deren erste Wiederholung wir bereits sahen und die sich größtenteils um regionale Themen rankt wie die Einführung der Nationaltages der Motorradfahrer als Einlenken von staatlicher Seite auf deren Demonstrationen gegen die steigenden Steuerabgaben oder den erstaunlichen Hund Felix, auf den vier Patronen abgefeuert wurden und der dennoch überlebte, widerwillig unterbrochen, um die wohl beliebteste Show derzeit anzusehen, “Combate”.

Zwei Teams ausnahmslos schöner, junger Erwachsener sind in farbige Anzüge gehüllt, eine Team in blau, das andere in orange. Das Studio ist einer der buntesten Orte dieses Planeten, quietschig grelle Töne bestimmen den Hintergrund, vielfältige bunte Lichteffekte setzen zusätzlich Akzente in dem Farbenmeer. Innerhalb dieser Szenerie springen also diese Handvoll Aufmerksamkeitsdefizitssyndromkinder umher, beantworten Wissensfragen wie “Welches Land ist geformt wie ein Stiefel?” mit “Panama”, dem südlichen Nachbarland oder “Was heist sí auf französisch?” sogar richtig. Die Kandidaten mit weniger breitem Allgemeinwissen springen an eine hellgrüne Schaumstoffstange, klammern sich um sie und müssen daran hängen bleiben, bis die Zeit um ist. Oder aber sie klettern über bunte Rollen in Überlebensgröße, ohne einander loslassen zu dürfen, begleitet von der ständigen Kamerafahrt auf die Hintern der Mädchen. Das wichtigste ist, dass sie nach jedem der Spiele gemeinsam tanzen und ihre athletischen Körper zur Schau stellen, entweder “azul”(blau) oder “naranja”(orange) rufend. Sehr skurill, aber bedeutsamer ist doch sowieso, was zwischenmenschlich vor dem Fernseher geschieht. Niemand scheint wirklich zuzusehen, weshalb niemand der Sendung überdrüssig wird, da lehnt mein älterer Gastneffe in dem Schaukelstuhl, der einzigen tatsächlichen Sitzgelegenheit im Raum, und ist in seine Pokémon-Goldene Edition vertieft, David, der das eigentlich sehen wollte, ist damit beschäftigt, meine Haare zu essen, was ich, nachdem er mir die Ernsthaftigkeit seines Anliegens verdeutlicht hat, dadurch vereitle, dass ich ihn jedesmal, wenn er von hinten über meine Schulter beugt, über ebenjene schleudere, sodass er einigermaßen gefedert rücklings auf dem Bett landet. Zumindest bis zum dritten letzten Mal, als sein Fuss unglücklich auf einem Beistellschemel landete, sodass ein Bein desselben absplitterte und in die Ecke schoss.Damals befand sich niemand sonst im Zimmer und ich weiß nicht, ob es inzwischen bemerkt wurde, dass ebenjener Schemel seither immer an der Wand lehnt, ich wurde jedenfalls nie mehr darauf angesprochen. Zwischendurch wird eine Schale der noch immer im Überfluss im Kühlschrank gelagerten Ananas gereicht und gemeinschaftlich verzehrt, hin und wieder schneit auch mal ein Gastbruder herein, kann der Sendung aber wenig abgewinnen und spielt lieber Monster mit David. Außerdem malen wir uns mit einem Schlüsselbund Zeichnungen auf unsere Rücken, verwundert fragt man, wieso ich dabei nicht unweigerlich in Lachen ausbreche…Langsam lehrt sich die Runde, die Neffen werden abgeholt, und als man fieberhaft die letzten Minuten der anderthalb Stunden, die zwei Kandidaten insgesamt auf einem Bein stehen müssen, um vor der nächsten Nominierung sicher zu sein, mitvefolgt, wird es mir zu doof und ich begebe mich auf die Terasse, streichle die Katze und beseh mir Nachthimmel und die vor dem Haus entlangführende Straße. Wenn ich wieder zurückkomme, ist der ganze Zauber schon vorbei, und ruhig und zufrieden döst nurmehr meine Gastmutter im Schaukelstuhl.

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