We are the brutal youth

von fabian_11  

Während unseres Aufenthaltes in der Hauptstadt San José zum Zwecke der Visa-Antragstellung Ende des Jahres wurde ich zum ersten Mal Zeuge der Existenz einer costaricanischen Jugendbewegung. Im restlichen Costa Rica, quasi der ländlichen Region, gruppieren Jugendliche sich höchstens aufgrund ihres Musikgeschmacks oder Kleidungsstils, aber in eher kaum merklichem Ausmasse, sieht man sich doch keiner solchen Polarität von Möglichkeiten und Aussagen gegenüber wie im ziemlich einzigen urbane Ballungsraum San José.

Nur hier im Wirrwarr aus Proklamationen unterschiedlicher Parteine kann sich eine in sich homogene, dabei von anderen abgrenzbare, Szene bilden, die dann für ihre Anhänger exklusive Geschehnisse organisiert, wie in unserem Fall das “Festival verde”. Ein Innenhof war dazu umfunktioniert worden, die Hälfte der Innenfront war von zahlreichen Umweltorganisationen besetzt, die ihre ökologischen Produkte dem überwiegend jungen Publikum anboten. Besonders präsent waren natürlich die Kunsthandwerkserzeugnisse indigener Gruppen, solche Produkte finden ja auf derartigen Veranstaltungen den meisten Anklang, unsere Partnerorganisation Coecoceiba konnte da mit ihren Shampoos und Konfitüren nicht wirklich gleichziehen, trotz der exponierten Stellung neben dem einzigen Essensstand, der zweifellos den grössten Umsatz verbuchte.

Wir verteilten ein paar Flyer und luden wahllos Leute zu einer Weihnachtsveranstaltung von Coecoceiba ein, bevor auch wir uns dem Hauptprogramm, das auf der Bühne in der Mitte des Platzes stattfand, widmen durften. Ein grosses Transparent war aufgespannt worden, darauf wurden Kampfsprüche, die den übermässigen Konsum anprangerten und an die Wurzeln unserer Existenz erinnerten, projiziert, im Wechsel mit einem Kontingent ebenfalls feilgebotenen professionellen und amateurhaften Fotographien, die ebenfalls feilgeboten wurden. Unterdessen präsentierte ein umwerfender Beatboxer sein Talent, gefolgt von einer eher durchschnittlichen Musikgruppe.

Inzwischen hatte der Platz sich mit erwartungsvollen Gesichtern gefüllt, der Hauptakt stand an, und wieder einmal, wie häufig auf derartigen Grossveranstaltungen, faszinierte mich die unglaubliche Uniformität der Teilnehmer: Dreadlocks oder zumindest lange Haare, ungewöhnlich unter der männlichen Bevölkerung des Landes, Earplugs und Snakebites, mehrheitlich von schwarz dominierte Kleidung, Anwandlungen vom Punkkleidungsstil und natürlich als übergeordnetes Utensil, alle einend, die kleine Hanfpfeife. Tatsächlich war die Luft stundenlang erfüllt vom süs-würzigen Grasgeruch, und wann immer man einen Blick in die Menge warf, sah man irgendwo hinter vorgehaltener Hand einen Punkt aufleuchten, gefolgt von jener verräterischen Rauchentwicklung. Auch Tütchen, gefüllt mit weisslichem Pulver, wurden vorgezeigt, einige Menschen entwickelten einen ganz hartnäckigen Schnupfen, so oft mussten sie die Nase hochziehen.

Es erinnerte ab dieser Stelle schon sehr an ein gewöhnliches Open Air Konzert, nur dass kaum Alkohol floss, dafür aber die Menge der aufglimmenden Zigaretten mit der der Joints oder Pfeifchen vertauscht wurde. An die, die selber nicht gewagt hatten, etwas mitzunehmen, verteilte ein Mädchen, das verdächtig nach Rotkäppchen aussah, die unter einem Tuch in ihrem Weidenkörbchen befindlichen “Special Brownies”, sofern man gewillt war, ihr kapp drei Euro zu überlassen.

Wir waren es nicht, und so fragte zumindest ich mich, wärend das Konzert des Hauptacts mit pogender Menge und Sprechchören ausgeschmückt verstrich, ob am nächsten Morgen noch irgendetwas vom heutigen Willen in den Menschen spürbar sein würde, oder ihm dieselbe Halbwertszeit beschienen war wie dem hohlen Blick und dem zufriedenen Grinsen. Ausserdem reflektierte ich darüber, weshalb nur hier, bereits unter Verlust der ursprünglichen Natur, eine Bewegung Fuss fassen konnte, die sich dem entgegenstellt, wie ernsthaft sei dabei mal aussen vor gelassen.

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