Die Farben eines Regentages mitten im Mai

von 22 johanna_f  

Es ist Sonntag. Nach einer Woche gefüllt mit schöner Arbeit – in Erde buddeln, sich um Pflänzchen kümmern – mein freier Tag. Nach dem Frühstück bin ich in den Abenteuern Alexander von Humboldts getaucht. Wie gefesselt von den detaillierten Beschreibungen bin ich versunken in die spannenden Erlebnissen, die er hier in Mittel-/ Südamerika erlebt hat, bin mit ihm durch die Welt gereist und habe mit ihm Indigene, Goethe, Thomas Jefferson und Könige getroffen, mich von seiner Weltsicht begeistern lassen.

Nun ist die Sonne fast hinter den schweren Wolkenmassen und Hügeln, die Bijagual umgeben, untergegangen. Mich packt der Bewegungs- und eventuell auch der Entdeckerdrang. Ich schnappe mir das geliehene Fahrrad und überlege während ich den ersten Hügel hinuntersause, wo ich heute hinfahre. Mir fällt eine Runde ein, die ich zuvor einmal zu Fuß gegangen war. Ich trete in die Pedalen und bewältige unter untrainiertem Schnaufen und im kleinstmöglichen Gang den nicht zu enden scheinenden Anstieg. Geschafft – der herausfordernste Teil liegt hinter mir. Nun biege ich ab und gelange von der gepflegten Schotterstraße auf eine wenig befahrene Straße, die aus roter, lehmartiger Erde besteht und erschreckend steil vor mir in die Tiefe geht. Mit angezogenen Bremsen und immer noch dem Sauerstoffdefizit hinterheratmend folge ich der Straße. Schon nach wenigen Metern füllt sich das Reifenprofil mit roter Erde und die Reifen bewerfen mich aufgrund des nicht vorhandenen Schutzbleches von oben bis unten mit kleinen Erdklümpchen. Ich lasse langsam die Bremsen locker, genieße den Fahrtwind und die angenehme Wirkung der Verdunstungskühlung. Und dann bin ich da. Die Vegetation lichtet sich und auf einmal habe ich freie Sicht ins Tal. Ich halte an, halte inne. Versuche mit allen Sinnen wahrzunehmen, aufzusaugen, was mich umgibt. Da ist dieser Himmel. Es ist, als hätte jemand einen Becher aus grauer und blauer Aquarellfarbe umgekippt und überall verteilt. An manchen Stellen scheint das strahlend weiße Blatt durchzuscheinen, es ist jede erdenkliche Schattierung dieser trüben Farben zu sehen. In beträchtlicher Geschwindigkeit und so still ziehen die Wassermassen vorüber. Ständiger Wandel des Bildes, nie Stillstand. Ich aber halte still. Nur für einen Moment. Sauge die Eindrücke auf. Da sind diese Grüntöne, die prächtigsten, sattesten, verschiedensten Farben. Unter ihnen – gelb-orangene Tupfer, welche zu ein paar blühenden Bäumen gehören. Der kühle Wind lässt die Blätter rascheln, ich höre das majestätische Singen zweier Tukane in der Ferne, ein schwer beschreibliches Geräusch, welches majestätisch wie ihre Erscheinung die mich umgebende Geräuschkulisse überschattet. Es mischt sich mit den Melodien weiterer Vögeln und Insekten, die schönste Sinfonie der Welt. Ich bin umgeben von der Schönheit des Lebens. An einem Regentag im Mai.

BlogNo:03

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