Krankenhauskrise

von 22 hoa  

Ich war nie zuvor in meinem Leben so oft krank und in einem Hospital, wie die vergangenen Monaten. Fast alle zwei Wochen sprach ich mit einen neuen Arzt über eine bakterielle Fußentzündung, etliche Blasen/Nierenentzündungen und Ohnmachtsanfälle. Die eigentliche Krankenhauskrise aber besteht eigentlich daraus, dass ich das Gesundheitssystem hier schlichtweg verdamme.

An einem Märzabend saß ich gemütlich mit Freunden in einem Restaurant in San José, auf mein Sushi wartend, als ich mich plötzlich ein unerträglicher Schmerz in meinem Körper in ein Uber und schließlich in ein öffentliches Krankenhaus beförderte. Dort angekommen vergaß ich all meinen Schmerz für einen Moment, als ich das überfüllte Wartezimmer erblicke mit laut vor unerträglichen Schmerz stöhnenden Frauen in Rollstühlen und Kindern, die bereits in die dritte Supermarkttüte kotzten (ich sollte mich später dazu gesellen). Ich saß nach wenigen Sekunden direkt auf einem Stuhl vor der summenden Krankenschwester, die meine Werte kurz notierte und mich wieder raus schickte.

Als ich wieder mein Blick auf das Wartezimmer gerichtet hatte, entdeckte ich einen Mann, der mir zuvor nicht auffiel. Der halbglätzliche, leicht übergewichtige Herr saß ebenfalls in einem Rollstuhl, worin ich ihn von oben bis unten musterte und mein Blick verfing sich an seinem rechten Bein, das am offenen Knie endete und woraus Blut auf die Fließen kleckerte. Für mich war’s vorbei und ich brach sofort zusammen. Ich legte meinen Kopf in die Brust von meinen anwesenden Freund und näselte minutenlang sein Pullover mit Tränen voll. In dem Moment formte er wahrscheinlich seine Gedanken zu einem „jämmerliche Europäerin“ und gleiches hielt ich von mir selbst einige Tage später auch. Da dieses öffentliche Krankenhaus, so überfüllt wie es war, wahrscheinlich bis zum Morgengrauen keine Zeit für mich finden würde, ging es in den nächsten Uber in ein privates Krankenhaus.

Ohne angekommen zu sein, sollte ich etliche Dokumente ausfüllen, zu ihrer finanziellen Sicherheit, ohne dass ich überhaupt länger als eine Minute aufrecht stehen konnte. Daraufhin wurde, um eine „Kautionszahlung“ von 80 000 Colones, also 130 Euro gebeten. Ja, der Kapitalismus verfolgt einen bis nach Costa Rica in ein leeres Krankenhaus um 22:13 Uhr. Anschließend, immer noch wurde ich nicht behandelt, gab es Komplikationen mit der Rezeption, da wir lediglich eine Apple-Pay Karte dabei hatten mit genügend Guthaben, die zahlungstauglich war, aber dem Krankenhaus zu wenig Vertrauen bot, sodass sie mir mehr Dokumente aufsetzen und jede Seite meines Reisepasses kopierten.

Am Ende verließ ich nach einer Stunde ohne Behandlung aber dafür jeder Menge Bürokratie, von den übelsten Schmerzen geplagt, freiwillig das Krankenhaus, da es gegen meine Werte und mein Ego ging, die nicht verstehen konnten, weshalb Geld hier vor Gesundheit und Solidarität priorisiert wurden. Ich fragte meinen Freund, was denn passieren würde, wenn jemand vor ihren Türen todkrank nach Hilfe bitten würde, aber nicht bezahlen konnte. „Sterben wahrscheinlich“. Schweine.

Wir kauften mir illegal Antibiotika für die Nacht in einer Apotheke und ich ließ mich am nächsten Morgen stadtauswärts behandeln. Noch immer quält mich der Gedanke, dass die Menschen hier mit einen Stundenlohn von 5 Euro und mehreren Kindern genau auf dieses System angewiesen sind: Entweder ein öffentliches Krankenhaus, das nichts an Geld kostet jedoch einiges an Geduld, denn notwendige Operationen werden wochenlang nach hinten verschoben durch die starke Überlastung (teilweise auch durch Amis und deren noch beschissernen Gesundheitssystem, die sich hier kurz einen Strandurlaub und kostenlose Behandlung unterziehen möchten) oder ein privates, dass einem Tico sein ganzes Monatsgehalt kostet.

Nach dieser Erfahrung kann ich es kaum mehr erwarten, meine kleine grüne Chipkarte meiner Krankenkasse mit einem Passbild von meinem lächelnden 16-jährigen Selbst in der Hand zu halten. Sie hat allen Grund glücklich zu grinsen.

BlogNo:02

Noch kein Feedback


Formular wird geladen...