Weihnachten

von 22 anna_l  


Glühwein, zwar nicht landestypisch, aber sie mögen's

Das entfernte Läuten der Kirchenglocken und liebliche Kinderstimmen, die den Heiland prophezeien, während man mit einer Pferdekutsche in Decken eingehüllt durch verschneite Landschaften tuckert. So ist Weihnachten in Deutschland... eben nicht.

In Deutschland ist die Weihnachtszeit mit Abstand die stressigste Zeit des ganzen Jahres. Vor lauter Perfektionismus der sich an irgendwelchen unrealistischen Hollywoodfilmen orientiert, vergessen wir oft worum es eigentlich an dem „Fest der Liebe“ gehen sollte und können die „magische“ Weihnachtszeit nicht richtig genießen. Alle hetzten von einem zum anderen Weihnachts-Sale, um die besten Geschenke zu ergattern und das Haus muss herausgeputzt sein, damit der Weihnachtsbesuch ja nichts zu meckern hat.

Es ist kalt, manchmal schneit es vielleicht sogar, sodass Schlittschuh und Schlitten gefahren werden kann (wenn nicht auf dem See dann in der Eislaufhalle) und zur Aufwärmung danach wird sich eine heiße Schokolade oder ein Punsch auf dem Weihnachtsmarkt gegönnt. Am 24. versammelt sich die ganze Familie und geht ins Krippenspiel oder die Weihnachtsmesse. Danach wird das aufwändige Festessen vorbereitet: Braten, Rotkohl und Knödel dürfen schließlich nicht fehlen, was bei mehr oder weniger friedlicher Stimmung gegessen wird. Darauf folgt die Bescherung, Brettspiele spielen und das Singen von Weihnachtsliedern.

Hier in Costa Rica erscheint es mir jedes mal etwas absurd, wenn ich ein Weihnachtslied höre. Das Gefühl ist vergleichbar mit der Beschämung, die ich empfinde, wenn Menschen im August schon anfangen Weihnachtslieder zu summen. Nur durch die ganze amerikanisch-angelehnt, kitschige Weihnachtsdekoration wird mir bewusst: es ist wirklich Weihnachtszeit.

Ansonsten gibt es keine gemütlichen Weihnachtsmärkte und eine Weihnachtstanne haben wir auch nicht. Dafür gibt es das „Festival de la Luz“, was sich vielleicht als 2-tägiger Weihnachtsmarkt costaricanischer Art beschreiben lässt. Die ganzen Bäume im Park sind mit Weihnachtskugeln und Lichterketten geschmückt und es gibt etliche Essensstände. Eingeläutet wird das Ganze mit einem riesigen Straßenumzug, bei welchem auf den traditionellen Instrumenten gespielt und in traditionellen Trachten getanzt wird. Später werden die traditionelle Tänze (Salsa, Bachata, Cumbia etc.) getanzt und es gibt Karaoke und zum Abschluss findet sogar ein kleines Feuerwerk statt. Mit einem Weihnachtsmarkt ist es dennoch nicht vergleichbar oder vielleicht schon, dann aber ein Weihnachtsmarkt sehr anderer Art. Mir kam es jedenfalls eher wie ein schönes, buntes Sommerfest vor.


Weihnachtsgepäck in Produktion

Aber ich glaube der größte Kulturschock ist, wie hier Weihnachten gefeiert beziehungsweise nicht gefeiert wird. Um wenigstens etwas in Weihnachtstimmung zu kommen, habe ich am 23.12. mit meiner Gastschwester und meiner Freundin Paula Zimtsterne und Vanillekipferl gebacken. Ich war schon eine Woche dabei meine Gastmutter zu fragen, wie wir Weihnachten verbringen würden und, ob wir uns was schenken würden. Die Antwort kam dann genau einen Tag vor Weihnachten am 23.12. :“ wir machen “amigo secreto“(Wichteln)“, also beschriftete ich Zettel mit allen Namen und jeder zog einen.

Das Programm für Weihnachten stand noch immer nicht ganz fest und ich wurde das Gefühl nicht los, dass es auf ein ganz gewöhnliches Abendessen hinauslaufen würde. Ich fand es auf der einen Seite irgendwie echt gut, dass Weihnachten alles etwas entspannter angegangen wird und vor allem nicht in Massen konsumiert wird. Auf der anderen Seite war ich auch etwas enttäuscht davon, wie unspektakulär Weihnachten hier zu sein schien. Hinzu kam, dass ich das erste mal seit meinem Aufenthalt hier etwas Heimweh bekam. Schließlich war die Vorstellung schon komisch das erste Mal ohne meine Familie Weihnachten zu verbringen.


Geschenk basteln

Letztendlich war mein Weihnachtsfest zwar ungewohnt, aber doch um einiges besser, als ich gedacht hätte. Tagsüber wurden noch die letzten Besorgungen für Heiligabend vorgenommen. Ich musste noch schnell ein kleines Weihnachtsgeschenk für meine Gastschwester kaufen. Außerdem erinnerte ich mich daran, dass meine Gastmutter erwähnt hatte, dass eine vorherige Austauschschülerin Glühwein für sie gemacht hatte und wie begeistert sie davon gewesen war und nahm mir deshalb vor diese Tradition fortzusetzen. Nach dem Besorgen der Zutaten traf ich mich dann noch mit Paula im Park und aß an Weihnachten ein Eis bei 30 Grad- schon verrückt! Zuhause angekommen veranstaltete ich noch ein kleines Weihnachtsbasteln mit dem Sohn von meiner Gastschwester. Nachmittags war ich mit meiner Familie aus Deutschland zum Skypen verabredet. Leider musste unser Internet natürlich gerade an Weihnachten wieder ausfallen, sodass das Telefonat mit dem Ende meiner mobilen Daten abbrach.:( Nichtsdestotrotz war es schön meine Familie einmal zu sprechen. Um 8 Uhr abends ging es dann mit der gesamten Familie in die Weihnachtsmesse. Das war wirklich ganz schön, auch wenn ich natürlich nicht alles verstand.. Ich musste mir nur das Lachen verkneifen, als wir für eine Plastikpuppe, die das Christkind darstellen sollte und vom Pfarrer hochgehalten wurde, klatschen sollten... Zurück zuhause tauschten wir dann unsere kleinen Geschenke aus und dann wurde gegessen. Ich bin mir nicht ganz sicher, ob das Essen bestellt oder selbstgemacht war, denn meine Gastmutter kam mit 3 großen Einwegverpackungen mit Hühnchen, Kartoffelpüree und Gemüse an. Es war auf jeden Fall nicht so ein aufwendiges Essen, wie ich es aus Deutschland gewöhnt bin. Macht aber nichts, war sehr lecker. Also aßen wir genüsslich und tranken Eistee aus Plastikbechern, während Weihnachtsmusik über einen Lautsprecher lief. Nach dem Essen servierte ich unsere selbstgebackenen Plätzchen und machte Glühwein. Die Familie war sowohl von den Zimtsternen als auch vom Glühwein sehr begeistert und ich war glücklich, einerseits, weil ich selber Zimtsterne essen und Glühwein trinken konnte, andererseits, weil ich mit dieser, wenn auch nur kleinen Geste meine Dankbarkeit zeigen konnte. Abschließend ließen wir den Abend mit Kartenspielen ausklingen.


Mein Fazit: Weihnachten in Costa Rica ist auf jeden Fall anders. Anders heißt aber nicht schlechter! Ich bin überzeugt, dass es sehr wichtig ist, dass ich mal erleben konnte, wie Weihnachten in einem anderen Land wahrgenommen und gefeiert wird. Auch, wenn ich etwas Heimweh hatte, kann ich diese Erfahrung nur weiterempfehlen! Klar, es ist ungewohnt und dem einen oder anderen wird es ähnlich wie mir gehen und er/sie wird die eigene Familie und deren Traditionen vermissen, aber es hat mir wirklich noch einmal einen ganz anderen Blickwinkel auf viele Dinge gegeben.

Ist Weihnachten wirklich den ganzen Hype wert, den wir in Deutschland darum machen?

Das Seltsamste an der ganzen Sache ist, dass die Menschen in Costa Rica viel gläubiger sind als in Deutschland und Weihnachten, dessen Ursprung das Christentum ist, in Deutschland viel mehr gefeiert wird und das obwohl heutzutage kaum noch einer in die Kirche geht.
Außer vielleicht an Weihnachten (schon ironisch irgendwie).
Woran liegt das also?
Ich würde behaupten der größte Faktor ist die Konsumgesellschaft in welcher wir leben. Ist es nicht ironisch, dass wir für das Fest der Liebe so viel Leiden in Kauf nehmen? In keiner Zeit werden so viele Produkte in Massen hergestellt. Produkte, die unter unmenschlichen Arbeitsbedingungen hergestellt werden, um dann zu großen Teilen unbenutzt zuhause herumzuliegen und schließlich doch in der Tonne landen. Produkte dessen Herstellung tausende Tonnen von CO2 ausstößt. Es steht doch in einem unglaublich großen Widerspruch alle diese Dinge zu ignorieren, aber dann auf der anderen Seite bei „Weihnachten im Schuhkarton“ teilzunehmen.

Das Problem ist natürlich viel komplexer, sodass ich es nicht in ein paar Sätzen zusammenfassen kann. Was ich damit nun sagen will ist, wir können uns, denke ich, eine Scheibe von den Costericanern abschneiden und 1. das Weihnachtsfest etwas entspannter angehen und 2. vielleicht die Menge der Geschenke, die wir kaufen, immerhin reduzieren und auch darauf achten, dass es wirklich sinnvolle Geschenke sind (was jetzt hier auch nicht unbedingt der Fall ist, aber trotzdem). Unsere Traditionen müssen wir deshalb trotzdem nicht über Board werfen. Grundsätzlich sollte es ja mehr um die Geste gehen, als darum, die teuersten, größten Geschenke zu verschenken und geschenkt zu bekommen. Das mal so als kleiner Einblick in meine Weihnachtszeit in Costa Rica und meine Gedanken dazu. Ich bin auf jeden Fall sehr dankbar dafür, dass einmal erleben zu dürfen, denn ohne diesen direkten Vergleich hätte ich mit Sicherheit unser Weihnachtsfest in Deutschland nie im Leben so genau hinterfragt.

BlogNo:04

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