Ein Tier unter Tieren

von 22 robert  

Glatt wurde uns Essen geschenkt und ich schaute mir das Hennenprojekt von María an. Dieses ist trotz meiner geheuchelten Beeindruckung recht schrecklich. Dort werden 15 Hennen auf zwei Quadratmetern gehalten. Im benachbarten Käfig, mit einem Gitterboden versehen, sind 25 junge Hennen eingepfercht. So schlimm fand ich die Bedingungen in dem Moment gar nicht. Der Freiwilligendienst hat meine Empfindung oder Einstellung gegenüber Tieren transformiert und ich fürchte, nicht zum Positiven.

Tatsächlich war ich auch einfach nie zuvor über einen Zeitraum von mehr als ein paar Tagen in einem Umfeld unterwegs, in dem —abgesehen vom Menschen — viele Tiere unterwegs waren. Hier hingegen wimmelt es vor diesen, sowohl im Haushalt meiner Gastfamilie selber, als auch in der Natur drumherum. Und diese sind alle immer hungrig. Egal, ob Schwein, Huhn, Hund, Katze, Karnickel, Gans oder Papagei. ALLE haben IMMER Hunger und drängen sich dementsprechend und verständlicherweise auf. Und alle machen Geräusche und alle haben GERÜCHE und alle kacken und pissen und pflanzen sich fort und schwitzen und hecheln und schnattern und leben und sterben und bleiben immer hier. Der Hahn kräht zu jeder Tageszeit, das hatte ich doch mal anders gelernt.

Das Leben von Viechern ist schwer, wenn die sogenannten "Herrchen" gerade genug für sich selbst haben. Die abgemagerten Hündinnen werden geschwängert und kriegen acht Welpen, von denen nach drei Wochen nur noch einer lebt, denn Milch produzieren sie kaum. Und einige der Viecher sind Menschen und der kleinste von ihnen nimmt sich ab und zu einen Stock in die Hand und haut auf die Welpen drauf und tritt auf sie drauf und schlägt sie mit der kleinen Hand. Wo viel Leben ist, ist auch viel Tod.

Manchmal machen mich all die Tiere tierisch wütend, sowohl Canis Lupus Familiaris, als auch Homo Sapiens und trotzdem bin ich selbst Teil davon. Auch ohne die Tiere, die sich der Mensch unter den Nagel gerissen hat, indem er sie frisst, bespannt oder sich beschützen lässt, gäbe es hier schon genug. Geweckt werde ich eines Morgens davon, dass eine Kakerlake diesen ausgehöhlten Berg in meinem Gesicht inspiziert — meine Nase. Das ständige Gezirpe von Grillen, Zikaden und sonstigem Insekt. Man sieht sie nicht, man hört sie nur. Amphibien sind natürlich auch am Start. Denen reicht schon der kleinste Schauer als Anlass, komplett auszurasten. Eine Kakofonie aus Kröterichen ertönt vom Bache her.

In jedem Kubikmillimeter lebts: Geier, Gans und Gottesanbeterin. Ameise(nbär), Ara und Agouti.

Und je höher die Dichte an Tieren, desto höher die Wahrscheinlichkeit für aufkommenden Ekel und Aggressivität bei menschlichen Wesen. Das hab ich sowohl bei anderen beobachtet, als auch erschreckend bei mir selbst festgestellt. Gewalt und unnötige Quälerei im Umgang mit Tieren sind hier leider alltäglich. Diese werden umhergeschmissen, abgeworfen und aus dem Weg getreten. Werden als das behandelt, was sie für viele geworden sind: Objekte, die keine Zuneigung verdienen und keinen anderen Lebensinn haben als dem Mensch ein Diener zu sein. Ob mit ihrer Verfügbarkeit, von eben diesem getötet und gefressen zu werden, mit ihrem Nutzen, schwerwiegende Gegenstände zu tragen oder ihrer Eigenschaft, ungewollte Gäste vom Grundstück zu verjagen. Sklaven, die in ihrer Abhängigkeit leiden obwohl sie es gar nicht anders kennen.

Ich bin ein Tier unter Tieren, stehe aber auf der Seite des Bösen, der Unterdrückung.

Auch ich esse die toten Tiere und ekele mich vor den Lebenden. Und ich habe mich sogar in einem Anflug von cholerischer Ungezügeltheit und fehlender Selbstbeherrschung dazu hinreißen lassen, dem Schwein einen beherzten Tritt zu verpassen, damit es weggeht. Und die Katze von der Bank geworfen, damit ich in Ruhe essen kann. Danach hab ich mich dafür geschämt und das zurecht, obwohl das noch vergleichsweise harmlos war.

Im tierischen Wimmel verlieren Individuen schneller die Geduld. Art egal.

Ihre Romantik haben sie für mich ein bisschen verloren. Sind für mich normal geworden und doch interessant geblieben.

BlogNo:08

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