Das Dasein als Hüllenmensch

von 22 robert  

Ich habe die Hoffnung noch nicht aufgegeben, irgendwann mal ein konservativer Eremit zu werden.
Artificial Intelligence und Cyborg- Wissenschaften sind jetzt schon über den Punkt hinaus, wo Kunst von AI allgegenwärtig und Menschen Chips im Hirn sitzen haben, deren Software Wörter anhand der Gehirnströme ab"lesen" können. Daniel hat es mir letztens nochmal vor Augen geführt, doch eigentlich wusste ich es schon,

allein durch Fake-Instagram-Videos: wenn du AI mit ein paar Tonspuren (oder nur einer) von einer realen, sprechenden Person fütterst, dann kann diese Audios erstellen, in denen in der Stimme der realen Person beliebige Dinge gesagt werden. Und es hört sich gänzlich echt an, weil die AI auch jedes anormale Detail, jede Eigenheit beim Sprechen übernimmt.

Bei Videos ist AI auch schon fast soweit. Gefälschten Videos sieht man die Gefälschtheit fast gar nicht mehr an. Bald sind wir an dem Punkt, wo man nichts mehr glauben kann, was man auf Bildschirmen sieht. Video- und Tonmaterial wird auch in Gerichtsverfahren keine Rolle mehr spielen dürfen. Da jedoch auch andere Annäherungen von virtueller Software und Realität immer populärer werden, wird man irgendwann gar nicht mehr wissen, was echt ist. Nicht nur beim Blick aufs Handy. Wenn alle Leute (und auch man selbst, weil man ohne—genau wie heutzutage mit dem Smartphone—nicht mehr Teil des gesellschaftlichen Lebens ist) irgendwann mit Apple-Brillen oder NeuraLink-Chips im Schädel durch die Welt spazieren- dann wird die Virtualität ein fester Bestandteil des Lebens aller, auch ohne offensichtliche Nutzung eines Gerätes.

Oder, was noch krasser und vielleicht noch wahrscheinlicher, dafür aber auch trennbarer wäre: so etwas wie das Metaverse. Ein digitaler Raum, in dem sich ALLES abspielt. Arbeitsleben wird der Anfang sein, doch schnell wird sich auch die Freizeit nur noch dort abspielen. Die Möglichkeiten sind grenzenlos: Lust in einem Raumschiff zu entfernten Planeten zu fliegen, mit dabei die besten Freunde, Avatare die genau so aussehen können wie in reallife, genauso sprechen, sich genauso bewegen? Wanderungen durch die abgelegensten Gegenden der Erde der Erde machen, kurz mal an der Côte d'Azur liegen oder eine Tauchtour am Great Barrier Reef? Sex geht auch, mit wem und wann man will. Alles gratis und in kürzester Zeit.

Die echte Hülle hockt derweil in einem gemütlichen Stuhl oder liegt entspannt im Bett. Irgendwie wird man auch das neuronale Nervensystem so verarschen können, dass beim Eintauchen in virtuelle Welten nicht nur das Visuelle und das Hören, sondern auch Haptik und Riechen Teil des Erlebnisses in der Virtualität sind. Spätestens wenn die tatsächliche Erde immer vermüllter und versmogter wird, die körperliche Fitness der eigenen echten Hülle durchs dauernde Herumliegen abbaut und die Haut dadurch ganz käsig wird, dass man nie die Sonne sieht, wird das Abtauchen in die Alternative zu gut, um es nicht zu tun: Da wartet das Leben in einem grünen, fruchtbaren Paradies. Beste Speisen, bester Wein. Man selbst im Traumkörper und forever young. Die virtuellen Universen werden das echte schlagen, eben weil sie alles können.

Dinge, die sich die großen Massen der Erdbevölkerung nur erträumen können: Wohlstand und Möglichkeiten, in der echten Welt nur wenigen, priviligierten Prozenten vergönnt, sind dort Massenware. Und deshalb werden die, die bisher noch nicht an die sich nähernde Weltenablöse glauben, leider vom Gegenteil überzeugt werden.

Zu dumm nur, dass man nicht drumherum kommen wird, dass man schon noch ein bisschen an den mickrigen, tasächlichen Körper gebunden ist, in dem man geboren wurde. Nahrungsaufnahme und das Ausscheiden davon ist eben nötig, damit das System weiterläuft. Aber das Problem kann durch zwei, drei Schläuche auch easy gelöst werden. Irgendwann ist es dann so weit: die Hülle stirbt und man muss sich endgültig aus den virtuellen Traumwelten verabschieden. Vom eigenen Tod der echten Körperlichkeit und des damit verbundenen Bewusstseins kann man sich nicht lösen...oder? Womöglich wird man auch diese Hürde bald überwunden haben, indem man sich selbst bewusste, fühlende Existenzen erschafft und als unsterbliches Denken in den virtuellen Raum hochlädt.

Während ich das schreibe, sitze ich übrigens in einem grünen, fruchtbaren Paradies in der ganz echten, realen Welt. Handy ist ganz weit weg und aus. Alles analog. Es ist also noch nicht zu spät und es gibt sie noch, die guten Orte. Wenn der womöglich drohende, eben geschilderte Fall eintritt und sich alle ins Metaversum verpieseln, dann werde ich einen solchen Ort aufsuchen. Frei von gefälschten Realitäten und sonstigen Vereinfachungen des Lebens, die dessen Qualität eigentlich nur mindern. Eine grüne Community in der Natur, Bücher sind erlaubt (es ist zugegebenermaßen mal ganz schön, irgendwo abzutauchen) und die Tage mit dem Anbau des eigenen Obstes und Gemüses verbringen.

Alles ganz real...Ist wer dabei?

BlogNo:09

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