Bäuerliche Ausprägungen

von fabian_11  

Das Leben hier ist beschaulich und, wenn man so will, romantisch, ein zum Leben erwachter Traum vergangener Tage in einem versunkenen Märchenland. Dieses anheimelnde Gefühl tritt sehr selten auf, da der Alltag oft weit weniger mystisch oder geheimnisvoll ist, doch hin und wieder, wenn man im Bus sitzt und die Palmen vorbeiziehen sieht oder den Regenwald wuchern, wird man sich des Privileges bewusst, seine Tage hier zubringen zu dürfen und erinnert sich der Fremdartigkeit, die sich einem anfangs erbot und die staunend betrachtet werden wollte.

Meist natürlich interagiert man ganz gewöhnlich mit seinem Umfeld, und wo frische Besucher des Landes von dem grünen Streifen rechts der mehrspurigen Straße, die vom Flughafen zur Stadt führt, eingenommen sind, sieht man schon nur noch den Drahtzaun, der dahinter ein verfallenes Fabrikgebäude abgrenzt. Momente der Verblüffung werden rar, oft offenbaren sie sich nur mehr subtil, wenn man über den Tag reflektiert und darauf stößt, wie wenig man sich einen solchen vor nicht all zu langer Zeit hätte vorstellen können. Ein Exempel.

Nach dem Aufstehen grüßte ich meine Gastmutter und warf, da es ein verheißungsvoller Morgen war, einen Blick in den leuchtenden Garten. Ich erblickte ein Schwein. Ich sah zuerst nicht, dass es am Baumstamm abgebunden war und fragte verwundert, ob es denn unseres sei. Nachdem ich mal fremde Hunde, die auf dem Gelände rumstreunten, durchgefüttert habe, bin ich vorsichtiger geworden. Sie entgegnete, es sei für das Weihnachtsmahl. Leider war es sehr scheu und ähnelte auch sonst nicht den dressierten Schweinen aus Kinderfilmen, die ich gewohnt war, also ließ ich bald von ihm ab, um spazieren zu gehen.

Wegen der, meiner Ansicht nach sehr bedauerlichen, linearen Konstruktion der Dörfer bietet sich hier nur ein Weg, den Berg hinauf. Oft, wenn ich dort entlang wandere, grasen abseits davon freilaufende Rinder; mir ist das immer etwas unangenehm, wenn wenige Meter neben mir ein Stier gemütlich vor sich hin frisst. Hin und wieder war ich an einem solchen Punkt bereits gezwungen, umzukehren, wenn eine ganze Herde die Straße versperrt.

Dieses Mal erblickte mich ein Bulle von weitem, röhrte, als ich mich näherte, und trat auf mich zu. Wir verharrten einige Minuten in angespannter Atmosphäre, glücklicherweise fuhr endlich ein Wagen herbei, die Fahrerin trieb das Tier an den Straßenrand und positionierte ihr Fahrzeug zwischen uns, sodass ich passieren konnte.

Schließlich geriet ich an einen Flusslauf am Ende einer bewohnten Straße, links davon stand ein Häuschen, das eine Frau und einige Hunde beherbergte, die mich aggressiv ankläfften, bis sie selbige zurückrief. Ich verweilte etwas am Wasser und wollte dann umkehren, unglücklicherweise hatte die Hausherrin sich inzwischen entfernt und war außer Sichtweite ins Gespräch mit einigen Nachbarinnen vertieft. Dementsprechend zügelte niemand die Bälger, und nachdem sie mich angefallen und eine Weile in meine Schuhe gebissen hatten, besann ich mich und rannte los. Sie sprangen mich von hinten an und zerkratzten meine Beine, ich nehme an, sie hätten mich auch niederstrecken können, nur verlässt die Köter hier ihr Mut recht zügig, wenn sie ihren angestammten Teil der Straße verlassen. Außerdem wurde die Besitzerin bald sichtbar und kreischte ihnen Schandworte entgegen. Nach einem Schwall von Entschuldigungen wurde ich schließlich entlassen und machte mich auf den Heimweg.

Dort war nun bereits spontan das Schwein geschlachtet worden und ich sah vom Fenster aus zu, wie sie es aufhingen und zerteilten, während ich darauf Acht gab, dass den jüngeren Familienmitgliedern der Blick darauf verwehrt wird. Beim gemeinsamen Verspeisen des ‚armen Schweinchens’, wie wir es zynischerweise auf meinen Vorschlag hin nannten, zeigten sich die anderen sehr interessiert, als ich berichtete, dass ein älteres Pärchen mich, als es nachmittags heftig regnete, ein Stück im Auto mitgenommen hatte. Da ich deren Namen nicht unverfälscht behalten habe, wurde lange gerätselt, wer es den sein könnte, wohl sämtliche Anwohner wurden durchgegangen und geurteilt, ob sie die Gutherzigkeit besäßen, einen klatschnassen Fremden in ihren Wagen zu bitten.

Das Ganze verstieg sich zunehmend zur dörflichen Lästerei, schließlich hatte man aber einen starken Verdacht, der unanfechtbare Beweis scheiterte aber daran, dass niemand genau wusste, wie besagte Personen hießen, bekannt war wohl nur die Frau, und das auch nur als Tochter eines gewissen Dons. Zeichen des Machismo, dass Frauen scheinbar keine erinnerungswürdigen Eigennamen haben; die Angelegenheit blieb jedenfalls offen und ich verbrachte den restlichen Abend im Bett und erstaunte über meinen Lebenswandel.

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1 Kommentar

Kommentar von: Mama [Besucher]  

Köstlich… ;-)


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