Rassismus in Costa Rica

von fabian_11  

Gesellschaftlich wohl immer ein schwieriges Thema, ob nun wegen einschlägig bekannter Vergangenheit, oder weil man in einem Konglomerat verschiedener anthropologischer Einflüsse lebt. Beobachtung und Auswertung etwaiger Tendenzen verlangen eigentlich ein enormes Wissen über größere soziale Zusammenhänge und Strukturen, die sich mir natürlich nicht zur Gänze bekannt sind. Dennoch möchte ich einmal meine Beobachtungen dazu festhalten.

Meines Erachtens ist Rassismus, oder die einfache Xenonphobie, die ja oft nicht leicht zu differenzieren sind, eng mit dem Selbstverständnis als Volk, Nation; dem Patriotismus verknüpft. Darüber lässt sich nun schon guten Gewissens urteilen: Ticos sind stolz auf ihr Land. Zwar nicht unbedingt auf die Politik oder derartiges, aber die eigentlich ja nicht so ausgeprägte Kultur wird immer ausgewiesen, darüber die wundervolle Natur, die das Land bietet, wie jeder Tourist beim ersten Wortwechsel bescheinigen muss. Die Stellung als beliebtes Tourismusziel bestärkt das positive Selbstbild des Landes als ‚grün', ‚naturnah' oder schlicht ‚traumhaft' ganz abseits realistisches Einschätzungen. Der eigene Bezirk ist selbstredend der schönste, der/das ‚pueblo' besteht aus den besten Menschen und die ‚comunidad' stellt die anderen in den Schatten. Auf einem Fragebogen über die Motive zum Umweltschutzengagement hat meine Gastmutter ihr Dorf im Ausmaß ihres Einflusses direkt hinter ihrer Familie eingestuft.

Patriotismus ist jedenfalls gegeben, und ohne das Privileg einer nationalen Demut und Selbstverdammung, die das deutsche politische Klima bereichern (ja, ich rede im Ernst), begünstigt dieser folgende Formen von Rassismus:
- gegen Anrainerstaaten
- gegen Eingeborene
- gegen Schwarze
- gegen Weiße
- gegen Chinesen

Weniger gegen Panama als vielmehr gegen Nicaragua richten sich hier die Anfeindungen, bei vielen Zusammentreffen wird über die Dummheit der als billige Schwarzarbeiter verschrieenen Nachbarn gelästert. Diesem Land in Wohlstand, nationaler Sicherheit oder einem Fußballspiel zu unterliegen, ist eine Schande. Zwar erbarmt sich in erwähnten Runden meist doch einer, der zugibt, dass mehr die Regierung als die eigentliche Bevölkerung für die Grenzprobleme und weitere unliebsame Umstände zu verantworten seien, aber Antipathien bleiben dennoch spürbar. Interessanter als jene Ablehnung der Armut ist aber die, auf die der Reichtum stößt, nämlich die nicht unerhebliche Zahl chinesischer Immigranten. Auch wenn die chinesische Familie, die in unserer Comunidad ein kleines Restaurant betreibt, es nicht vermuten lässt, China ist sehr einflussreich hier. Durch Handelsverträge verknüpft, stärkt das Land die Position seiner Minderheit in der Bevölkerung und weitet deren Einfluss kontinuierlich aus, was oftmals auf Widerwillen stößt. Beispielsweise verfügt die Hafenstadt Limón über einen Friedhof für chinesischstämmige Mitbürger, und der übertrifft die restlichen Anlagen in seiner Pracht bei weitem. Ebenso folgten beim Lichtfestumzug, Veranstaltung innerhalb der wichtigsten Festwoche in der Hauptstadt, auf den offiziellen Wagen der Stadtregierung welche, die außerordentlich prunkvoll mit asiatischen Motiven ornamentiert waren. Sie wurden auch sonst nicht mehr übertroffen.

Die Beziehung zu den Eingeborenen des Landes ist ambivalent, offenbar existiert ein in Guanacaste beobachteter Trend, eine ‚indianische' Herkunft vorzugeben, ebenfalls begreifen Mestizen, die die größte Bevölkerungsgruppen stellen und aus einer Verbindung zwischen Weißer und Indigenen hervorgehen, sich oft als Mitträger indianischer Kultur. Dennoch werden die eigentlichen Indigenen oft staatlich vernachlässigt oder sanktioniert. Am Tag der sozialen Gerechtigkeit gar wurden wieder eine Gruppe demonstrierender Indigener unter Aufsicht der Polizei von ihren nicht indigenen Nachbarn mit Fäusten und Baumstämmen verprügelt. Schwarze hingegen gelten weniger als Gewaltobjekt als vielmehr als eigentliche Täter, dementsprechend begegnet man ihnen eher mit Furcht und die Unbehaglichkeit in deren Anwesenheit rührt von ihrer vermeintlichen Unberechenbarkeit. Sie verrichten wohl eher niedere Arbeiten, mein Gastvater beschwerte sich einst über ihre Art, sich bereits mittags unter Kartenspielen billige Spirituosen einzuverleiben. Er fügte aber hinzu, nachdem er im Gespräch ihre Lohnvergütung erforscht hatte, könne er den Lebenswandel besser nachvollziehen. Dennoch- vielen Ticos ist bei Anwesenheit Schwarzer derart mulmig, dass früher kaum jemand in der Karibik wegen des Zustroms ebenjener leben wollte, die Grundstückspreise sanken rapide.

Den Gegenpol zu den verarmten Schwarzen bilden die reichen Weißen, die Touristen, denen man nicht so sehr mit offenkundiger Ablehnung begegnet als vielmehr oftmals mit dieser affektiert-überschwänglichen Freundlichkeit, die die Bittstellungen begleiten. Dabei schwingen aber natürlich Vorurteile mit, und wenn man die zudringlich vorgebrachten Bitten nicht in zufriedenstellendem Maße erfüllt, werden jene auch durchaus öffentlich kaskadenartig publik gemacht: wer weiß ist, ist Amerikaner/ Gringo, wer Gringo ist, ist für politische Fehltritte der USA ebenso verantwortlich wie für die ungerechte Verteilung der Güter in der Welt, den Kapitalismus generell und die persönlichen Missstände des Vortragenden im Speziellen. Weshalb ich immer ausreichend Kleingeld dabeihabe, wenn ich mich durch größere Städte bewege.

Nun, vielmehr als eine tatsächliche Reflektion war dies wohl eine bloße Auflistung meiner Erfahrungen mit rassistischen Bezügen, aber mehr will ich mir da auch nicht rausnehmen. Meine Gastschwester meint ja auch, Limón sei wohl die offenste Provinz des Landes, hier gibt es einfach so viele Einflüsse, dass jeder irgendwo einen Schwarzen, Nica oder Chinesen in der Familie hat, und gegen Mitglieder der eigenen Familie redet man ja nicht. Überhaupt existieren so viele Einflüsse im Land, dass nicht mal indigene Ursprünge verifiziert werden können wegen der nicht einheitlichen Gesichtsphysiognomie, die aus dem Norden haben mehr schlanke, die aus dem Süden mehr rundliche Gesichter. Mulatten(Sprösslinge aus weiß und schwarz) können den nachteiligen Einfluss in kürzerer Vergangenheit erworben haben, oder aber vor langer Zeit durch einen spanischen Eroberer, dessen Vorfahren sich mit Arabern eingelassen haben; dies würde ja wieder einen Vorteil bedeuten...Es scheint also alles sehr schwierig zu sein, ein Glück nur, dass die Präsidentin Chinchilla einen zwar nicht sehr ruhmreichen, dafür aber spanischen Namen trägt.

Also alles nicht so kritisch. Hier bei uns dünken wir uns nicht überlegen, man darf Schwarze hier auch schwarz nennen, nur braun mögen sie nicht, das ist abwertend. Und man darf es nicht mit böser Intention sagen oder sie in dem Satz mit Affen vergleichen. Überhaupt: Rassismus gibt es doch nur in den zurückgebliebenen Gemeinden im Norden! -so meine Richtergastschwester.

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