Goldgier

von carla_11  


Ein paar Geschenke, wie eine
Schule oder Straße räumen
den Weg frei

Es ist ein breiter Sandweg, der von der Autopista bei Santa Rosa de Pocosol abzweigt, sich weit die Berge hoch und runter windet, zwischen den grünen Feldern hindurch. An Coopevega vorbei, dem Ort, in dem Industrias Infinito S.A. ihren Firmensitz hat, ein kleines unscheinbares Bürohäuschen am linken Wegesrand. Es ist das Tochterunternehmen des kanadischen Minenkonzerns Infinito Gold Ltd. und Besitzer eines rund 1500 ha großen Grundstücks, am Ufer des Río San Juan, an der Grenze zu Nicaragua. Las Crucitas heißt das kleine Dorf, dessen Namen auch das Goldminenprojekt trägt, für das 1993 die ersten Genehmigungen erteilt wurden. Sieben Familien wohnen hier, die anderen sind gegangen, geflüchtet, vertrieben.

Das Gelände ist eingezäunt, ein Wächter schaut misstrauisch zu uns herüber. Mein Gastvater und Aktivist Lorenzo lacht, Sí a la Vida, No Minería, steht um den behelmten Totenkopf auf seinem T-Shirt geschrieben.

Der alte Weg nach Crucitas ist holprig und voll tiefer Schlammgräben. Bei einer kahlgerodeten Wiese halten wir an, hier sollte die Reststofflagune installiert werden, rund 100 ha groß. Am Rande dieses Geländes fließt einer der Verbindungsflüsse zum Río San Juan entlang, der kleinste Unfall hätte die Verschmutzung des Trinkwassers und Lebensraums von unzähligen Menschen und Tieren bedeutet, in einem Teil Costa Ricas, der zu den ärmsten des Landes zählt. Die Armut ist es auch, die die wenigen Bewohner der Zone so ausgeliefert hat. Diejenigen, die nicht zum Verkauf ihrer Fincas gezwungen werden konnten, taten es doch oft freiwillig, brauchten das Geld. Das Minenunternehmen renovierte ihnen ihre Schule und baute ihnen eine neue Straße. Das Projekt bot Arbeitsplätze und bei vielen keimte der Traum von einem anderen Leben, einem besseren. Doch nicht ohne Grund ist der Satz ‚Gold kann man nicht essen‘ so berühmt. Der Norden Costa Ricas lebt von der Landwirtschaft, hier ist Subsistenzwirtschaft nicht nur ein leerer, utopischer Begriff. Nahm man den Bauern ihre Felder, so nahm man ihnen ihre Lebensgrundlage. Die, die blieben wurden dafür bezahlt, über die verschmutzten, vergifteten Gewässer ihrer Grundstücke hinwegzusehen. Ab und zu tauchte jemand des Unternehmens auf und nahm Proben. Korruption ist in Costa Rica etwas sehr normales.

Bei einem schmalen morschen Holzsteg, der über einen kleinen Bach hinwegführt, machen wir kehrt. Fahren zurück zum Zaunwärter, der sich unser Autokennzeichen notiert. Als wir in die neue Straße einbiegen folgt uns in einigem Abstand ein weißer Firmenwagen. Rechts und links von uns strecken Urwaldriesen ihre majestätischen Kronen dem sommerblauen Himmel entgegen. Ein Schild erzählt von den heimischen Baumarten, die hier als Wiederaufforstungsprojekt gepflanzt werden. Von den Minenarbeiten sieht man nichts, gut versteckt vor den Blicken der Besucher liegen sie irgendwo dort hinter den schützenden Baumstämmen und Blattwerken.

In Crucitas wurde nie Gold im großen Stil abgebaut. Es gibt keine immensen Krater und der Boden ist nicht wüstenkarg. Das Minenprojekt hat eine lange Geschichte, doch es ist hauptsächlich eine Geschichte von Bodenuntersuchungen. Das Goldvorkommen in der Erde ist klein und Minengesellschaft folgte auf Minengesellschaft. Gesteinsproben wurden genommen und Hochrechnungen gemacht. Das Goldbergbauprojekt ist hier nur dann rentabel für ihre Unternehmer, vergessen sie den letzten Schritt zu machen und den wichtigsten zugleich, den der Wiederherstellung der Landschaft.

Wir fahren an den Ufern des immensen Grundstückes entlang, bis zum Haupteingang des Projektgeländes. Mehrere Verwaltungsgebäude stehen auf einer Wiese, die vor zwanzig Jahren nichts als Primärwald war.


Wald, der auf Gold steht

Das Gebiet von Las Crucitas ist Teil einer der wichtigsten Feuchtregenwälder Mittelamerikas und gehört zu dem binationalen Schutzgebiet SI-A-PAZ (Sistema Internacional de Áreas Protegidas para la Paz) zwischen Costa Rica und Nicaragua. Der vom Aussterben bedrohte Lapa Verde, der Soldaten-Ara, lebt hier. Die Goldmine und das damit einhergehende Abholzen der Wälder hätte ihm seine Lebensgrundlage genommen, besteht seine Nahrung doch aus den Früchten des immer seltener werdenden Almendrobaumes.

Die Sonne knallt heiß auf uns herab, als wir uns auf den Rückweg machen. Beinahe neunzehn Jahre kämpfen die Gegner der Mine nun schon ihren zähen Kampf. Es ist eine Geschichte von Protestmärschen und Hungerstreiken, Demonstrationen und Mahnwachen. Im Dezember wurde Industrias Infinito zum Leisten der Rekuperationskosten verurteilt, das Projekt ist stillgelegt und die Menschen feiern. Doch nun will das Unternehmen vor das internationale Gericht treten, um „seine Rechte“ einzuklagen, während an der Pazifikküste das riesige Goldminenprojekt Bellavista neu in Betrieb genommen werden soll. Neue Abbaugenehmigungen können in dem kleinen lateinamerikanischen Staat nicht mehr erteilt werden, doch viele der alten haben ihre Gültigkeit noch nicht verloren.

Ganz vorbei ist der Kampf vielleicht nie. Hier im grünen Paradies.

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