Die Frage der Sicherheit

von fabian_11  

Costa Rica gilt im lateinamerikanischen Vergleich als sicherstes Land, auch in europäischer Vorstellung ist es das wohl, wobei man auf dieses Bild natürlich nicht zu viel geben darf. Nach Ermessen der Einheimischen scheint es jedoch nur vor Gefahren zu wimmeln, Diebe und Mörder überall, wirklich trauen kann man nur der durch sehr enge Freunde erweiterten Familie. Woher rührt diese Diskrepanz? Dass in der Proklamation als Urlaubsland, welches fast nur aus Stränden bestehe, der Aspekt der Kriminalität außen vor gelassen wird, ist eigentlich obsolet zu erwähnen, aber ich wage zu behaupten, dass auch die Wahrnehmung der Ticos getrübt ist.

In Guácimo versperrt eine einheitliche Zaunfassade den Blick auf die Grundstücke, darüber ist der Maschendrahtzaun aufgedreht. Dieses Bild findet sich in allen eigentlichen Siedlungen, in der nicht absolut jeder jeden kennt, wieder, oftmals kläffen dahinter prophylaktisch Köter und werfen sich gegen den Zaun. Wann immer ich meiner Gastmutter berichte, dass ich ein neues Fleckchen im Kanton erkundet habe, warnt sie mich, dass dies eine gefährliche Gegend sei und die Anwohner dort Drogen nähmen. Sicher scheint nur die Hauptstraße und auch nur vor Einbruch der Dunkelheit, danach birgt die Nähe zum verrufenen Barviertel, eine Ansammlung von ebenjenen beidseitig der Straße, unberechenbares Gefahrenpotenzial.

Überhaupt sollte man nach Einbruch der Nacht das Haus nicht mehr verlassen, die gegenüber, auf der anderen Seite der Straße wohnenden Enkel werden von den Erwachsenen angehalten, die Straße zu solcher Uhrzeit zügig zu überqueren, meist rennen sie, sobald sie sich vergewissert haben, dass kein Fahrzeug naht. Man muss dazu erwähnen, die vermeintliche Gefahrenquelle, an der Fremde tatsächlich hin und wieder gesichtet werden, ist die Bushaltestelle. Aber auch dort findet sich nach der Dämmerung nur sehr unwillig jemand ein, jeder versucht, das Tagwerk mit der Sonne zu beenden.

Danach sieht man die Nachrichten, eine Stunde lang, dann kann man den Sender wechseln, um sie eine weitere Stunde lang mit denen eines anderen Senders zu vergleichen. In einem anderen Blogbeitrag wurde bereits der Charakter dieser Sendungen dargestellt: trivial, lokal, prätentiös. Internationales Geschehen findet sich knapp am Schluss, den Großteil bestimmen reißerische Inszenierungen vergangener Polizeifahndungen, die Kamerafahrt begleitet die Heroen beim Erstürmen eines Hauses, bei der Überführung eines Gewalttäters. Immer wieder Mord, Gewalt, immer wieder furchterregende Berichterstattung, die Angst schürt und manche gewichtige Frauen dazu verleitet, in ihrem Dorf, das nur aus einem sich hinziehenden Kiesweg besteht, an dem alle paar hundert Meter ein Häuschen die Landschaft auflockert, nach achtzehn Uhr das Haus aus Angst, weggeraubt werden zu können, nicht mehr zu verlassen. Sowie ihren Gasttöchtern mit Nachdruck anzuraten, sich als Vorsichtsmaßnahme nicht mehr im auf der Terrasse befindlichen Schaukelstuhl aufzuhalten. Damit im Laufe des darauffolgenden Tages die beständige Gefahr nicht in Vergessenheit gerät, sendet die Fuerza Publica an zufällig ausgewählte Mobiltelefonnummern Erinnerungsnachrichten, die etwa besagen, dass ‚die sicherste Methode, ein Verbrechen zu vermeiden, ist, zu Hause zu bleiben’. Hinter den Stahlgittern. Selbstgewählter Hausarrest.

Nun gibt es in Costa Rica durchaus einige Gewaltherde, die laschen Waffengesetze sowie die Position als eines der Länder, das der Drogenstrom in die Staaten durchquert beispielsweise. Ebenfalls wird geklaut, dieses sehr wohl und auch regelmäßig. Die Zahl Obdachloser ist frappierend, doch noch schrecklicher ist die Gleichgültigkeit, mit der man ihnen zu begegnen lernt. Auch ich bin schon an einer leblos am Straßenrand liegenden Person mit blutverkrusteter Schläfe vorbeigeeilt, ohne sie anzurühren, teils aus Angst, teils aus Gewöhnung. Ich kann mir gut vorstellen, dass deren Verzweiflung ob des Desinteresses an ihrer Situation ihre Hemmschwelle zu Gewalttaten signifikant herabsetzen kann.

Dem zum Trotz behaupte ich, dass die Situation hier durch die Medien völlig überzeichnet wird, zu welchem Zwecke, darüber könnten wilde Behauptungen über Prävention von Organisation und politischer Aktion angestellt werden, ich bin nicht imstande, das zu beurteilen, ich meine nur, die generelle Mentalität mutet einem europäischen Großstadtkind reichlich befremdlich an.

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