Randale im Land des Friedens und der Demokratie

von miriam_12  

“Also wart ihr auch schon da, als es noch schön und friedlich war?”, wurden wir am Abend des 8. November gefragt. Ja, waren wir. Die Demonstration zur Verteidigung der CCSS (staatliche Krankenversicherung) und gegen die Verschlechterung der Zustände an den öffentlichen Krankenhäusern fing am Vormittag an. Fast komplett in weiß gekleidet, mit Plakaten, Lautsprecherwagen und kleinen Fähnchen mit der Aufschrift „Für meine Familie: Ich verteidige die Gesundheit“ ging es los, auf der fünfspurigen Avenida Segundo in San José. Wir zogen bis vor das Gebäude der Krankenkasse, das direkt hinter einer großen Straßenkreuzung lag. Dort fand die Abschlusskundgebung statt.

Als sich um Mittag herum alles aufzulösen begann, schafften einzelne es, zu einer Neuaufstellung zu motivieren. Wir standen nun mitten auf der Kreuzung, die bis dahin unbenutzt war.

Ich habe mich zu diesem Zeitpunkt im hinteren Teil befunden und deswegen nicht selbst miterlebt, was dann passierte. Eine Reihe Polizisten in voller Montur mit Schlagstöcken und Schutzschildern kam auf die friedliche Menschengruppe zu. Ein Mann filmte das Geschehen.

Die Polizisten kamen, führten diesen Mann ab und fingen an, mit aller Härte die Demonstranten wegzudrängen. Als diese dagegenhielten, setzten die Polizisten ihre Schlagstöcke ein und zogen sich einzelne Leute -insgesamt etwa zwanzig - aus der ersten Reihe raus, darunter auch einen meiner Mitfreiwilligen. Sie wurden in Polizeitransporter gesteckt und mit Blaulicht ins Gefängnis gebracht.

Ich bekam jedoch nur mit, wie die Polizisten uns mit Gewalt an die Straßenseiten drängten. Wer sich wehrte, bekam Schläge. Nur der Lautsprecherwagen mit einigen Sprechern war noch in der Straßenmitte. Das sollte er auch noch einige Zeit bleiben – der Versuch, ihn abzuschleppen, schlug fehl. Ein größeres Gerät musste hierfür herangeschafft werden. Der Verkehr begann wieder zu fließen.

Währenddessen wurde mit Worten protestiert: „No a la represion!“ - Nein zur Unterdrückung. Auch die Nationalhymne wurde gesungen, die Wut lag unüberhörbar in allen Stimmen. Es war, als wollten sie sagen: wir sind stolz auf Costa Rica, aber wir wollen ein Costa Rica wie es besungen wird: Unter dem strahlenden Blau deines Himmels ruht weiß und rein der Friede.

Hier auf der Strasse ruhte er jedenfalls nicht. Wir wurden noch weiter auseinandergedrängt, damit auch die kleinere Strasse der Kreuzung geöffnet werden konnte. Die Linie der Polizisten löste sich auf, der Verkehr übernahm. Auf der anderen Strassenseite bildete sich ein Tumult, Sprecher der Demonstranten waren von Kameras umringt und wer mithalf, eine ältere Dame aus dem Schwitzkasten eines Polizisten zu befreien, fing sich wieder Schläge ein. Der Verkehr wurde erneut blockiert. Einige unserer Sprecher gingen in Verhandlungen, um einerseits das mitgebrachte Papier zu präsentieren und sich andererseits um die Befreiung der Abgeführten zu kümmern. William und ich gingen unterdessen in den Park, um die anderen Leute aus unserem Bus einzusammeln und nach einer kleinen Kaffee- und Essenspause wieder zurückzukehren.

Nach einer Stunde wirkte der Ort auf mich wie die Ruhe nach dem Sturm. Der Verkehr war wieder umgeleitet worden, in der Mitte der Menschentraube gab es ein leises Megafon – das einzige, was an Technik geblieben war. Die Polizisten standen wachsam, aber ruhig, daneben.

Es war jedoch nicht die Ruhe nach, sondern jene vor dem Sturm. Während ich mich am Rand halten sollte – später erfuhren wir, dass Ausländer scheinbar eigentlich nicht an solchen Manifestationen teilnehmen dürfen – kippte die Stimmung wieder. Studenten hatten sich unter die Protestierenden gemischt und schnell flammte wieder Gewalt auf. Doch nun verwandelten sich auch auf Seiten der Demonstranten Worte in Steine und der Frieden wurde in Form von Müll auf die Polizisten geschleudert. Nun war es nur noch ein hässlicher Strassenkampf, der mit noch mehr blauen Flecken, Blut und einem gebrochenen Handgelenk endete. Auch ältere Frauen und Abgeordnete waren geschlagen worden. Immerhin waren die Gefangenen inzwischen wieder frei und wir konnten nach Hause fahren.

Zurück bleibt bei mir Wut. Wut darüber, auf welche Art und Weise hier mit einer friedlichen Manifestation umgegangen wird. Wut über die Einschränkung der Meinungsfreiheit, auch durch das am Tag vorher eingetretene „Gesetz des Knebels“, dass die Pressefreiheit beeinträchtigt. Und das alles im „Hort der Demokratie“, im „glücklichsten Land der Welt“.

Die Regierung testet aus, wie weit sie gehen kann. Ich hoffe wir konnten und können zeigen, dass die Grenze überschritten ist. Die nächsten Märsche sind jedenfall schon geplant.

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