Landrechte für die Küstenbewohner: TECOCOS wird verabschiedet

von miriam_12  

Bewohner der Küstendörfer Costa Ricas haben es bislang schwer: sie haben keine Rechte an ihrem Land und sind von Vertreibungen bedroht. Nun wurde im Parlament in der Hauptstadt San José ein Gesetz verabschiedet, das "gemeinschaftliche Küstenzonen" schafft. In diesen können zeitlich begrenzte Konzessionen an die Einheimischen vergeben werden. Das Gesetz muss noch vom Obersten Gerichtshof und in der zweiten Diskussion im Parlament bestätigt werden.

1977 wurde ein prinzipiell gutes Gesetz verabschiedet, dass die ersten 200 Meter vom Ufer aus als öffentliches Gebiet und geschützte Küstenzone festlegt. Dort darf nur mit Sondergenehmigung gebaut werden. Historische Küstendörfer, die schon lange vor der Verabschiedung des Gesetzes in der Nähe des Strandes existierten, wurden somit allerdings illegal. Sie leben daher in ständiger Gefahr, von ihrem Land vertrieben zu werden. An der Atlantikküste sind etwa 50.000 Personen betroffen. Während beispielsweise gegen das Küstendorf Ostional (Link zu Blog „Die Schildkröten von Ostional“) 2009 ein Räumungsbeschluss vorgelegt wurde, werden an viele Megaprojekte langjährige Sondergenehmigungen vergeben.

Vor knapp fünf Jahren begann der Entwurf eines Gesetzes zur Schaffung von sogenannten "gemeinschaftlichen Küstenzonen" (Territorios costeros comunitarios, kurz: TECOCOS). Langjährig existierende Küstendörfer können sich zu TECOCOS umwandeln lassen. Ihre Bewohner müssen allerdings hauptsächlich handwerklich Fischen, regionalen Ökotourismus betreiben oder anderweitig die Natur nachhaltig Nutzen. An Bewohner dieser Zonen können Konzessionen für Häuser und Geschäfte vergeben werden, außerdem für öffentliche Gebäude. Diese gelten für 35 Jahre und nur für eine begrenzte Grundstücksgröße. Außerdem müssen die Antragsteller mindestens 10 Jahre in dem Dorf wohnen. Die Grundstücke dürfen nicht verkauft werden.

Im vergangenen Jahr hatte Präsidentin Laura Chinchilla ein zweijähriges Moratorium gegen die Vertreibungen an der Küste ausgesprochen. Diese läuft etwa zeitgleich mit der aktuellen Legislaturperiode aus. Organisatoren und Küstenbewohner vermuten eine Verschleierungstaktik: somit wird die Entscheidung auf die kommenden Abgeordneten abgewälzt und die derzeitige Regierungspartei „Partido Liberación Nacional“ ist (mindestens bis nach den Wahlen) fein raus.

Doch am 29.4. standen TECOCOS und zwei verwandte Projekte, die hauptsächlich die Pazifikküste betreffen, an erster Stelle auf der Tagesordnung des Parlamentes. Im Zuschauerbereich und vor dem Gebäude fanden sich knapp 200 Personen aus verschiedenen Regionen des Landes ein, die für die Verabschiedung der Gesetze einstanden. Schon in der Vergangenheit hatten Mobilisationen stattgefunden, die vermutlich einen großen Einfluss darauf hatten, dass das Gesetz nun endlich verabschiedet wurde. Diese wurden von Fedeagua -hauptsächlich in Form von Wilmar- mit Unterstützung der Partei Frente Amplio, Menschenrechtsorganisationen und der Rosa-Luxemburg-Stiftung organisiert.

Nach einer Kundgebung und einer Demo gemeinsam mit den Leuten vom ICE (das staatliche Instituto Costarricense de Electricidad, das eventuell abgeschafft werden soll), ging es auf zum Eingang der Asamblea Legislativa, dem Parlament.

Ungefähr 80 Leute wurden zu den Zuschauertribünen zugelassen, der Rest unterstützte mit Bannern, Rufen und einem Lautsprecherwagen von außen. Doch trotz Diskussionen bis in den späten Abend und aller Bemühungen wurde die Abstimmung auf den folgenden Tag verschoben.

Die meisten Küstenbewohner mussten wieder zurückreisen, aber einige konnten bei Verwandten und Bekannten, im Centro de Amigos de la Paz und in der Kirche unterkommen. So fanden sich am folgenden Tag immerhin 50 Leute wieder ein, später kamen sogar noch welche nachgereist.

Am zweiten Tag hatte auch ich die Möglichkeit, mit in die Zuschauertribünen zu gehen. Man ist dort nur durch eine Glasscheibe von den Abgeordneten getrennt, einige kommunizierten per Zeichensprache mit uns. Per Lautsprecher konnten wir mithören, was gesprochen wurde - wenn nicht gerade aus Protest oder Zustimmung geschrien und gepfiffen wurde, sodass wir alles weitere übertönten.

Zu meiner positiven Überraschung wurde über alle Vetos, die eine Partei noch einbrachte, um die Verabschiedung nochmals zu verzögern, negativ abgestimmt. Und am Schluss stimmten sämtliche Abgeordneten geschlossen für TECOCOS – die Emotionen waren unbeschreiblich.

Wohl noch innerhalb dieses Monats wird vom Obersten Gerichtshof geprüft werden, ob das Gesetz verfassungsgemäß ist. Danach muss es noch ein weiteres Mal verabschiedet werden. Neben vielen begeisterten Stimmen und Danksagungen verkündet Wilmar, der Koordinator, auf Facebook nüchtern: „Wir haben Land gewonnen, aber der Kampf geht weiter.“

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