Das Dorf ohne Dorf

von miriam_12  

Was stellt man sich unter einem costaricanischen Dorf vor? Wer schon einmal eines besucht hat, wird das vielleicht so beantworten: Eine größere Ansammlung von Häusern, komplexe Familienzugehörigkeiten, spielende Kinder, vor dem Haus sitzende Menschen die einem im vorbeigehen ein "Adios!" zurufen oder eine Marañón (erfrischende Frucht) schenken. Ein Dorf, das ist ein Salón Comunal, in dem Bingo gespielt wird, ein Fußballplatz und fiestas, jeder weiß alles über jeden, spielende Kinder, gackernde Hühner und bellende Hunde.

Natürlich ist das nur die eine Seite. Hinter dem Begriff "Dorf" können sich auch andere Dinge verbergen: Der Nachbarshund bringt die Hühner um, Familienfehden, Neid und Ignoranz, Drogendealerei, dreiste Diebe, Misstrauen, bis hin zu nackten Leichen (siehe: Wild Wild Chachagua - das ist ... ).

Ich selber, die das alles immer nur von außen oder als kurze Impressionen bei Besuchen mitbekommt, habe vor kurzem feststellen dürfen: auch ich lebe in einem Dorf. Es nennt sich nach dem nächstgrößeren "echten" Dorf La Mansión: "El Obispo de la Mansión". Ich dachte lange Zeit, das wäre einfach nur eine Bezeichnung für die paar Häuser, die zwischen Nicoya und Mansión liegen. Dan fand ich heraus, dass es in diesem Bereich Dörfer gibt: Pedernal, Pueblo Viejo, Tierra Blanca, Rio Grande, um nur einige zu nennen. Und nun, schlussendlich, nach neun Monaten in Guanacaste, ist mir klar geworden, dass auch der Obispo ein Dorf ist.

Würde mir das jemand erzählen, müsste ich mir an den Kopf fassen und mich fragen: "Wie kann man nur so lange nicht merken, dass man in einem Dorf wohnt?". Die Antwort ist schlicht: man merkt es tatsächlich nicht. Wir haben einen Nachbarn auf der anderen Seite der Straße, bis zum nächsten sind es 300 Meter, das ganze Dorf zieht sich mehrere Kilometer weit an der Fernstraße entlang. Die größte Gruppe relativ nahe zusammenstehender Häuser, die ich bisher gesehen habe, besteht aus 8 Häusern. Es gibt keine Schule, keine Kirche, keinen Salón Comunal und keinen Fußballplatz. Nicht einmal eine Asociación de Desarrollo, die sich schrittweise um so etwas kümmern könnte, besitzt der Obispo.

Der Obispo ist natürlich nicht das einzige Dorf dieser Art, aber dennoch ist es traurig zu sehen.

Vor vielen Jahren wurden dem Dorf im Zuge eines Programmes ein Brunnen und ein Wassertank geschenkt. Dieser wird von unserem Nachbarn betrieben. Seitdem ist das Dorf gewachsen, heute reicht das Wasser in der Trockenzeit nur noch für das halbe Dorf, oftmals bezahlen die Leute auch die ca 4 Euro 50 pro Haus und Monat nicht oder viel zu spät. Natürlich muss niemand den Dursttod sterben, die Nachbarn helfen sich gegenseitig aus – einige haben eigene Brunnen und geben ihren Nachbarn was diese brauchen. Doch es ist alles andere als eine Lösung, bis zu sechs Monate Wasser von den Nachbarn in Gefäßen zum eigenen Haus tragen zu müssen.

Doch nun gibt es einen kleinen Lichtblick: Es gab vor drei Jahren schon einmal den Versuch, eine ASADA zu gründen. Dies ist eine Art legales Komitée für die Errichtung und den Betrieb der Wasserversorgung im Dorf. Doch nun, nach einem Wechsel der Junta Directiva, tut sich was und die ASADA ist inzwischen schon legal eingetragen und trifft sich regelmäßig. Auch wenn ich kein Mitglied bin, engagiere mich in diesem Wasserkomitée. Mit einem compañero zusammen führe ich gerade eine Umfrage durch, um die soziale Situation ebenso wie die genaue Nachfrage nach Wasser besser einschätzen zu können und gleichzeitig alle nötigen Daten zu aktualisieren. Gleichzeitig sammeln wir Vorschläge und Initiativen der Bewohner.

Das einzige, was tatsächlich helfen würde, wäre ein weiterer Brunnen, diesmal für mehr Personen ausgelegt. Doch das kostet viel Geld. Wenn sich allerdings das ganze Dorf zusammentut, ließe sich auch das auftreiben, da bin ich mir sicher. Das wäre das Größte und gleichzeitig Wichtigste, was dieses Dorf jemals geschafft hat. Und vielleicht ist es der Anfang für einen engeren Gemeinschaftssinn. Es gibt schon einige hochmotivierte Menschen mit Initiativen, Ideen und Visionen, noch über den Brunnen hinausgehend das Dorf zu entwickeln: Ein Spielplatz für Kinder, ein Salón Comunal, eine Ausbesserung des momentanten, instabilen, Stromnetzes.

Nichts ist unmöglich, wir müssen es nur möglich machen. In diesem Sinne - auf zur Organisation eines Bingos, einem ersten einfachen Schritt, dem Dorf Leben und ein Einkommen zu verschaffen. Fußball-Events, Tänze, Karaoke, es liegen Visionen in der Luft. Doch man darf auch nicht vergessen, klein anzufangen und Schritt für Schritt immer mehr helfende Hände zu gewinnen.

BlogNo:

Noch kein Feedback


Formular wird geladen...